STEREO-Festival der Master-Tapes

Report

Das STEREO Festival der Master-Tapes

Das neue „STEREO Festival der Master-Tapes“ schickt Analog-Fans auf einen Trip in die faszinierende Welt der Studio-Bänder – per CD, SACD oder sogar ultimativen Hochbit-Files.

| Matthias Böde


Sie waren und sind begehrte Tonträger unter den HiFi-Fans: die einmaligen STEREO Phono-Festivals I-III mit höchstwertigen Aufnahmen von Plattenspielern praktisch sämtlicher Preisklassen. Diese kann man sich so mit Hilfe einer Hybrid-SACD respektive über die zusätzlich auf einer DVD-ROM gelieferten Hochbit-Files virtuell in die heimische Anlage stellen. Nach mehreren Neuauflagen ist heute leider nur noch die dritte Ausgabe erhältlich (siehe Kasten). Insgesamt präsentierte Kollege Matthias Böde, der die Idee hatte und auch deren Durchführung übernahm, der audiophil orientierten Hörerschaft im Rahmen des Disc-Set-Trios 47 Vinyldreher mit Top-Titeln aus der hifidelen Historie ebenso wie aktuellen Preziosen. Danach hatte er genug, sann aber zugleich auf eine womöglich noch exklusivere und ambitioniertere Spielart in der beliebten Reihe. Und diese – Tusch! – ist jetzt da: „Das STEREO Festival der Master-Tapes“.

Richtig gelesen, anstelle von Schallplatten kommen hier Masterbandkopien zum Einsatz, denen seitens der HiFi-Fans höchste Klangqualität zugeschrieben wird. Aber woher sollten diese kommen?

Bildergalerie

Festival-Mastertapes - Aufmacher
5 Bilder
Tape-Festival – Kopf
Tape-Festival – Booklet
Tape-Festival – Montage

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Nun ja, sind Schallplatten quasi – und zum Glück – wieder ein Allerweltsprodukt, existiert daneben ein ungleich kleinerer, kaum bekannter, in seinen engen Grenzen jedoch sehr aktiver und erfolgreicher Markt für anspruchsvoll überspielte Bänder. Zum Teil werden diese parallel zu Vinyl oder digitalen Tonträgern angeboten, wobei die Preise so gut wie immer dreistellig ausfallen. Bestimmte Musik gibt’s sogar nur auf Tape.

Eine IV-S direkt von Nagra

Und so organisierte Böde sich eine ganze Zahl aufwendig von den Mastern kopierte Tapes und hörte sich durch jede Menge „Schnürsenkel“, wie dessen Fans das Magnetband liebevoll nennen, um schließlich wie gewohnt 16 starke Stücke auszuwählen (siehe Liste).

Dafür nutzte der STEREO-Mann eine Tonbandmaschine mit legendärem Ruf: die Nagra IV. Das ab 1968 gut 20 Jahre lang in verschiedenen Ausführungen gebaute Gerät mit dem unvergleichlichen Nimbus war natürlich eine -IV-S(tereo)-Version. Diese holten wir uns als bestens erhaltenen und frisch gewarteten Klassiker direkt vom Hersteller in Romanel-sur-Lausanne am Genfer See, wo sie gerade noch während des „Montreux Jazz Festival“ die Besucher unterhalten hatte.

Da die ursprünglich als mobile Reportagemaschine gedachte IV-S nur für Spulen bis 18 Zentimeter Durchmesser gedacht war, erhielten wir einen der ganz seltenen „QGB“-Adapter („Quatre Grand Bobine“) für die hier hauptsächlich vorliegenden 26,5er-Spulen dazu – das Format der meisten Tape-Angebote. Und natürlich war die IV-S eine Zweispur-Version, die das Band mit bis zu 38 cm/sec durchzog. Sämtliche überspielte Tapes wurden in dieser zwar Band-fressenden, aber qualitativ überlegenen Ausführung angeliefert.


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Wie schon bei den Phono-Festivals erfolgte die Überspielung auf den Nagra Seven, jenen kleinen hochklassigen, Akku-betriebenen Digital-Recorder der Schweizer, der die Musik im ultimativen Format von 24 Bit/192 Kilohertz umwandelte und in seinem SSD-Speicher ablegte. Doch bevor es so weit war, checkte „Tape-Doktor“ Uli Apel, der kürzlich den Bandmaschinenpark des Bayerischen Rundfunks überholte, die Nagra in seinem Labor. Der kennt die IV-S aus dem Effeff, besitzt selbst einige Exemplare und vor allem die mittlerweile höchst raren Messbänder für Tonbandgeräte. Uns interessierten dabei in erster Linie die präzise Einhaltung der Geschwindigkeit, der Wiedergabefrequenzgang sowie die Kanalgleichheit. Letztere lag innerhalb eines halben Dezibels, und selbst beim 16-Kilohertz-Ton gab’s keinerlei Abfall. Ein paar Messungen später bestätigte Apel strahlend: „Eine Nagra IV-S im Bestzustand!“

„Grünes Licht“ im Labor-Check

Genau das wollten wir hören, denn nun konnten wir loslegen. Dabei war das Hantieren mit den großen Metallspulen ein vergnügliches, ja, geradezu sinnliches Erlebnis. Diese wurden mittels silbriger NAB-Adapter auf dem QGB-Adapter festgeklemmt. Anschließend musste der Schnürsenkel um zwei bedämpfte Zugkräfte ausgleichende Fühlhebel sowie weitere Umlenkrollen herumgelegt, dabei am sogenannten Kopfschlitten vorbeigeführt und auf die gegenüberliegende Spule gewickelt werden, was dank einiger Routine zügig vonstatten ging.

Tape-Festival – Tape
6 Bilder
Tape-Festival – Bandsalat
Tape-Festival – Einstellung
Tape-Festival – Kabel
Tape-Festival – Recorder
Tape-Festival – Monitor

Selbstverständlich waren die beiden Nagras im Interesse eines unbeeinträchtigten Signalflusses ohne Zwischenstufen direkt miteinander verbunden. Ausgesteuert wird der Seven wie früher ein Cassettenrecorder, was dank seiner verzögerungsfreien Lichtmeter perfekt funktioniert. Aber Achtung: Selbst leichtes Übersteuern, wie wir es früher mit unseren Cassettendecks gern praktizierten, ist in der digitalen Domäne nicht möglich. Macht nichts, denn Rauschen wie ehedem bei unseren Analogrecordern ist hier kein Thema – und bei Nagras IV-S wiedergabeseitig auch nicht. 

So bleibt der unvergleichliche Charme der Bar-Jazznummer „The Shadow Of Your Smile“, in der Scott Hamilton lasziv sein Saxofon bläst, voll erhalten, geht Reemas intimer Gesang in der atmosphärischen Ballade „The Night Is Velvet“ so richtig schön unter die Haut.


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Ein Booklet mit umfassender Info

Es führte wohl zu weit, hier jeden der 16 Tracks vorzustellen. Deshalb nur noch ein Extratipp für Gourmets: Munyungo Jacksons einst von VTL-Chef David Manley für sein „Vital“-Label ungemein flirrend, dreidimensional und detailreich eingefangenes „Columbiana“, das wir verschollen wähnten, wurde fürs Tape-Festival von Fonè zur Verfügung gestellt, in dessen Archiv – Überraschung! – die Vital-Schätze lagern. Label-Chef Giulio Cesare Ricci, kurz „Signoricci“, hatte es vom 76-cm-Master auf die von uns verwendete, superb klingende 38er-Fassung transferiert.

Solche und andere Geschichten erzählt das 24-seitige Booklet der Doppel-Disc-Box, das Erläuterungen zu jedem Titel, seinem Hintergrund sowie den jeweiligen Besonderheiten liefert. Ein Künstler taucht gleich zweimal auf: der österreichische Jazzsänger 7Ray, nämlich jeweils einmal live beziehungsweise im Studio eingefangen. Es handelt sich um vollanaloge Produktionen von Pro-Ject aus Anfang 2020, die STEREO bereits als Doppel-LP besprochen hatte. Nun waren wir gespannt auf die Tapes, die parallel angeboten werden. Neben dem Musikgenuss bietet das Doppel interessante Vergleichsmöglichkeiten zwischen diesen Sessions.


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Nicht fehlen dürfen klassische audiophile Top-Acts wie etwa Cyndee Peters‘ „House Of The Rising“, 1977 vom schwedischen Label Opus 3 veröffentlicht, das sich auf die Fahne geschrieben hatte, die reine Schönheit des Originals in Form möglichst naturbelassener Aufnahmen zu bewahren. Damals ging es darum, bei den oft noch an Musiktruhen und einfache Kompaktanlagen gewöhnte Hörer ein Verständnis für audiophile Qualitäten zu wecken. Nach wie vor fasziniert die Dynamik, Räumlichkeit und Plastizität des Stückes, das immer noch die Maßstäbe markiert. Doch letztlich ist jeder der 16 sorgsam ausgewählten Titel eine Klang-Preziose, egal, ob der Kanadier Frédéric Alarie so vehement seinen akustischen Bass bearbeitet, dass einem bei höheren Pegeln um die Tieftöner bange ist, oder Tommy Schneider mit seinen Freunden auf Hammond-Orgel und Querflöte zu einem imaginären Tanz im Regenwald einlädt.

Sorfältige Übertragung zu DSD

Dies alles und viel mehr offerieren die CD/SACD beziehungsweise die Daten-DVD des STEREO Festivals der Master-Tapes, wobei die hoch aufgelösten 24 Bit/192 kHz-PCM-Files die Basis für den CD- respekti-ve SACD-Layer der flexiblen, beide Formate liefernden Hybrid-Disc bilden. Die Umwandlung ins DSD-Format der SACD erfolgt auf präziseste Weise bei Pauler Acoustics in Northeim. Das Studio betreut das Mastering praktisch sämtlicher STEREO-Tonträger von Anfang an. Selbstverständlich wird dabei nicht am Klang gedreht. Maximal erfolgt eine zarte Angleichung der Durchschnittslautstärke der Tracks, um bei Titelwechseln lästige Pegelsprünge zu minimieren.

Die DVD-ROM ist als physisches Medium und Backup für die Hochbit-Files anzusehen, von dem aus man diese zum Beispiel auf den heimischen NAS-Server oder die Festplatte eines Computers zieht. Immerhin geht es um knapp 4,5 Gigabyte Daten, die sich beim Streamen in herrliche Musik verwandeln.

Das STEREO Festival der Master-Tapes gibt es zum Preis von 29 Euro im Handel wie auch über die gängigen Versender – und natürlich im STEREO-Shop. Wir hoffen, dass Sie beim Hören und Schmökern ebenso viel Spaß haben wie wir während der Produktion. 


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