Einstürzende Neubauten | Alles in allem

In den letzten Jahren war Deutschlands wichtigste Band mit Nebenprojekten beschäftigt, wie einem Konzert zur Eröffnung der Elbphilharmonie oder einer Auftragsarbeit für eine Gedenkfeier zum Ersten Weltkrieg. „Alles in allem“ als erstes richtiges Album seit zwölf Jahren dürfte aber wieder ein großer Wegpunkt werden in der Karriere der Berliner Noise- und Avantgarde-Truppe, die seit 40 Jahren existiert.


Ohne ihre Heimat Berlin, eine Stadt, die sich im steten Wandel befindet zwischen Trümmern, Auf- und Umbau, zwischen künstlerischer Enklave und radikalem Experiment, hätten die Neubauten nicht zur heutigen Band wachsen können. Ein Album über diese Stadt war überfällig, ein Album, das sich metaphorisch mit geografischen Markern wie „Wedding“, „Tempelhof“, „Grazer Damm“ oder „Am Landwehrkanal“ auseinandersetzt. Nicht mehr so radikal lärmend und brachial wie einst, sondern trotz aller Klangforschung oft melodisch und durchsetzt von zahlreichen textlichen Bezügen. Die Band um Blixa Bargeld scheint besänftigt, doch die trügerische Ruhe spiegelt nur geänderte Zeiten wider: Zum Beispiel durften die Neubauten nicht mehr Material zum Entwickeln neuer Klänge vom Schrottplatz holen: „Die lassen dich nicht mehr auf den Schrottplatz – allein schon versicherungstechnisch“, erzählt Blixa Bargeld fassungslos.
Doch hinter der Ordnung durch Vorschriften lauert Chaos und Grauen: Auf der Suche nach anderem Klangmaterial aus den Müllresten unserer Gesellschaft fanden sie von Flüchtlingen nicht mehr benötigte Taschen. Mit Lumpen gefüllt dienten sie als Perkussion, um das Ertrinken vor Europas Grenzen zu thematisieren. Das Lied „Taschen“ endet mit den Worten: „Wir warten. Irgendwo müssen wir ja warten.“

Peter Bickel

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