Eine verlässliche Konstante ist Björks Stimme, und man fühlt sich sogleich in diesem Album quasi geborgen, wenn Björk bei einem Begriff wie „internal erosion“ im Auftaktstück „Atopos“ so herrlich das R rollt. Aber wer strukturierte Popsongs von der Sorte erhofft hat, mit der die heute 56-Jährige Mitte der Neunziger nach der Trennung von ihrer Rockband The Sugarcubes auf „Debut“ oder „Post“ brilliert hat, kann auf „Fossora“ ewig buddeln und wird nicht fündig.
Andererseits ist das mittlerweile ein Vierteljahrhundert her und Björk längst eine Avantgarde-
Künstlerin, die in ihrer eigenen Liga spielt. So kommen auf „Fossora“ unter anderem ein Klarinettensextett, ein Chor und das indonesische Techno-Duo Gabber Modus Operandi zum Einsatz. Nicht immer verbinden sich all die Elemente symbiotisch, und manchmal scheint sich die schiere Masse an Ideen gar etwas auf die Füße zu treten. Aber wer Björk zusammen mit Tochter Isadora (19) und Sohn Sindri (36) in den relativ kargen Stücken „Sorrowful Soil“ und „Ancestress“ beim Gedenken an ihre 2018 verstorbene Mutter lauscht, der kann gar nicht anders, als tief gerührt zu sein.
Steffen Rüth