WiiM Amp Test: Streaming-Vollverstärker unter 400€
Der brandneue WiiM Amp ist günstig – unverschämt günstig für das, was er anbieten will. STEREO hat getestet, ob dieser Streaming-Vollverstärker für 369€ eine Mogelpackung ist oder ob er wirklich abliefert.
Der Streaming-Amp, also der Vollverstärker mit eingebautem Netzwerkspieler, ist wohl eines der in den letzten Jahren am stärksten gewachsenen HiFi-Produkt-Segmente. Und der Charme dieser Gattung ist nachvollziehbar: Einfach hinstellen, Boxen dran und los geht’s – noch weniger Geräte gibt es nur bei aktiven Lautsprechern mit eingebautem Streamer, wie zum Beispiel den KEF LSX II LT.
Viele große Namen der HiFi-Welt bieten solche Produkte, wie zum Beispiel der brandneue CD-Netzwerk-Receiver T+A R 2500R, der kompakte AVM AS 2.3 im Midi-Format oder auch der beliebte Bluesound Powernode und viele, viele weitere. Nun drängt ein neuer Anbieter in den Markt mit einem einzigartigen Preisgefüge: Der neue WiiM Amp kostet gerade mal 369 Euro – ob das funktionieren kann?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns einen WiiM Amp in die Redaktion bestellt und ihn ausgiebig getestet sowie gründlich im Messlabor unter die Lupe genommen. Zugegeben, wir waren dabei auch auf der Suche nach dem Haken – bei dem Preis muss es doch einen geben.
Verarbeitung und Ausstattung des WiiM Amps
Der erste Eindruck zeigt: Verarbeitung und Haptik sind es schon mal nicht. Das kleine Gerät mit seiner Kantenlänge von etwa 19 Zentimetern ist mit einem wertigen Aluminiumkleid ummantelt, der Drehknopf auf der Front wackelt kaum, ja sogar die Lautsprecherklemmen sind solider Natur. Auch bei der Verpackung wurde nicht gespart, und das mitgelieferte Zubehör ist umfangreich: So liegt in der Packung nicht nur eine Fernbedienung mit eingebautem Mikrofon für Sprachsteuerung und ein Stromkabel, sondern auch noch jeweils ein Kabel für Cinch, optisch und HDMI – würden jetzt noch Batterien für die Remote beiliegen, wären wir völlig vom Hocker.
Auch die Bestückung mit Anschlüssen lässt nur wenige Wünsche offen, der begrenzte Platz auf der Rückseite wurde sinnvoll genutzt und beherbergt Eingänge für LAN, HDMI, USB (für Datenträger), Cinch und optische Signale. Ein Ausgang für Subwoofer ist auch vorhanden. Hier könnte man allenfalls noch einen Analog-Eingang für Phono-Signale und vollen Support für Heimkinoformate vermissen – denn Formate wie Dolby Atmos, Dolby Digital oder DTS unterstützt der WiiM Amp nicht.
Bis hierher konnte der WiiM schon gehörig Eindruck schinden – wer ein billiges Plastik-Spielzeug erwartet hat, wird sofort eines Besseren belehrt. Weiter geht es also mit dem Anschluss der Lautsprecher und der ersten Inbetriebnahme. Die dem Gerät beiliegende Schnellstartanleitung verweist hierfür auf die App WiiM Home.
Was kann die App des WiiM Amp?
Diese hat unseren Amp schnell erkannt und leitet sodann Schritt für Schritt durch die Ersteinrichtung. Die ist recht umfangreich, erfordert sehr viele einzelne Schritte und könnte für digital weniger versierte zur Herausforderung werden. Dafür deckt WiiM aber auch direkt zum Start bereits viele Funktionen wie die Integration in verschiedene Smarthome-Umgebungen ab, sodass nach durchlaufener Einrichtung alles laufen sollte. Die Remote muss außerdem erst manuell mit dem Amp gekoppelt werden, was bei unserem Test zwei Anläufe erforderte, um zu funktionieren.
Hat man das geschafft begrüßt einen die App WiiM Home, die in ihrem Funktionsumfang erneut für große Augen in der Redaktion sorgt. Gut, wir kannten die App bereits von unserem Test der WiiM Pro Plus, der funktional ähnlich ausgestattet, aber als reiner Streamer ohne Endstufen konzipiert ist.
Trotzdem ist es wieder mal erstaunlich, wie komplett die App dieses günstigen Streaming-Verstärkers ist. Von diversen individuell einstellbaren Presets über die Integration von Streamingdiensten wie Qobuz bis hin zu ausgefeilten Multiroom-Funktionen und einem Sleeptimer ist alles da. Besonders erfreulich ist die Integration eines extrem vielseitigen Equalizers, der sogar zwischen einer grafischen und einer parametrischen Ansicht umgeschaltet werden kann. Besonders Letztere erlaubt Feinjustage des Klangs nahezu auf Profi-Level.
Und wenn man bereits glaubt, es könne nicht noch besser werden, entdeckt man in den Einstellungen der WiiM-App noch die Möglichkeit, den Subwoofer-Ausgang in Pegel, Übergangsfrequenz und Phase anzupassen, was das Set-up enorm erleichtern kann. Das ist schon wirklich beeindruckend und wäre eines Gerätes mit mindestens einer zusätzlichen Null hinter dem Preis würdig.
Linkplay: die OEM-Firma hinter WiiM
An dieser Stelle ist es nur fair zu erwähnen, dass WiiM als Name zwar durchaus ein Newcomer im Business ist, die Muttergesellschaft Linkplay aber ganz und gar nicht. Denn Linkplay unterstützte als OEM-Entwickler bereits unter anderem Brands wie Harman, JBL, Yamaha und Marshall dabei, smarte digitale Audio-Produkte auf den Markt zu bringen, und kann daher für WiiM auf umfangreiche Erfahrungswerte zurückgreifen. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass der hier gebotene Gegenwert in puncto Software zu dem Preis wirklich enorm attraktiv ist.
Kritik gibt es an der deutschen Übersetzung der App, die hier und da noch etwas hakelig ist, sowie an dem bereits erwähnten recht umständlichen Einrichtungsprozess. Auf einem etwa drei Jahre alten Android-Smartphone hängte die App sich außerdem einmal bei intensiver Benutzung des Equalizers auf. Davon abgesehen lief sie aber auf iOS wie Android stets reibungslos und schnell. Außerdem gibt es kleinere Mankos in der Benutzererfahrung, wie zum Beispiel der ziemlich unintuitive Weg, Inhalte aus Qobuz zu den Presets hinzuzufügen.
Umschalten von Quellen recht umständig
Alles Kleinigkeiten, an die man sich schnell gewöhnt hat, nichts davon stört bei täglicher Benutzung – was wir so nicht von dem Design der Quellen-Umschaltung behaupten können. Diese ist zwar über die Fernbedienung möglich, das scheitert aber daran, dass hier nur ein einzelner Button durch die fünf möglichen Quellen schaltet. Ein direkter Switch zum Beispiel auf den Analog-Eingang funktioniert nur über die App, da auch am Gerät keine passenden Schalter vorhanden sind. Dort sind die Quellen dann am untersten Ende der recht langen Startseite versteckt.
Hinzu kommt die für uns nicht nachvollziehbare Entscheidung, die gewählte Quelle zwar mit einer farbigen LED auf der Front zu codieren, hierbei jedoch dieselben Farben mehrfach zu verwenden. So signalisiert eine gelbe LED, dass gerade entweder HDMI oder der optische Eingang angewählt wurde, eine Unterscheidung ist nicht möglich, und um sicher zu sein, ist doch wieder ein Griff zur App notwendig.
Für uns wirkt die Umschaltung zu den anderen Quellen wie ein sekundäres Feature, der WiiM Amp scheint vorwiegend als „Streamer mit eingebauten Endstufen“ konzipiert zu sein und weniger als „Vollverstärker, der auch streamen kann“.
Der WiiM Amp im STEREO-Messlabor
Das ist auch völlig in Ordnung so, denn in seinem angedachten Einsatzzweck kann der kleine Amp wirklich brillieren. Die ausgezeichnete hauseigene App ist dafür noch nicht mal nötig, da mit Bluetooth, AirPlay, Chromecast, Spotify und Tidal Connect sowie DLNA umfangreiche alternative Möglichkeiten, Musik an den WiiM zu senden, bereitstehen. Lediglich Roon Ready fehlt zum Testzeitpunkt noch, die Zertifizierung ist laut Herstellerangaben aber in Arbeit, und da die reinen Streamer, wie der Pro Plus von Wiim, bereits Roon Ready sind, dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein.
Unser Messlabor bescheinigt dem WiiM Amp auch saubere technische Arbeit. Der größte Teil der Werte liegt im sehr guten bis befriedigenden Bereich. Besonders Verzerrungen in Form von Intermodulationen und Klirr sind auf sehr geringem Level. In die andere Richtung fallen Kanaltrennung und Rauschabstand als jeweils etwas zu niedrig auf, und die obere Grenzfrequenz ist Class-D-typisch sehr niedrig. Dafür ist der WiiM Amp aber auch in der Lage, aus seinem kompakten Gehäuse gemessene 125 Watt an 4 Ohm zu pumpen, was ein mehr als ordentlicher Wert ist.
Wie viel Klang bietet der WiiM Amp für 370 Euro
So kann der WiiM selbst exklusive Referenzboxen wie DALIs Epicon 6 kraftvoll antreiben und auch höhere Lautstärken erreichen. Dafür ist es zwar nötig, den Lautstärkesteller weit aufzudrehen, aber klanglich bleiben Verzerrungen aus, und Stimmen klingen noch immer natürlich.
Gut, gegen einen Platzhirsch wie Bluesounds fast dreimal so teuren Powernode kann der WiiM nicht mithalten, aber für sich allein liefert er beeindruckend ab. Bei im Vergleich etwas fehlender Bühnengröße und Definition im Bass stimmen bei dem WiiM bereits Dynamik und Klangfarben.
Auch sonst spielt er überzeugend sauber, mit gutem Timing. Teils könnten Stimmen zwar noch etwas mehr Körper vertragen, er ist aber doch absolut langzeittauglich. Der WiiM klingt somit um Längen besser, als man es von einem etwa 100-Euro-Verstärkermodul – das unterscheidet ihn schließlich primär vom Pro Plus – erwarten würde.
Bei STEREO hantieren wir täglich mit faszinierenden Edel-Stücken der HiFi-Handwerkskunst, können uns an fantastischen Finishes, überragendem Klang und bis ins letzte Detail durchdachter Technik erfreuen. Das macht unheimlich Spaß, aber so beeindruckt wie von dem WiiM Amp waren wir schon lange nicht mehr. Was für 369 Euro möglich sein kann, ist gleichermaßen erschreckend wie ermutigend und eröffnet eine neue Perspektive auf die HiFi-Welt.
Preis-Leistung des WiiM Amp: fantastisch!
Hätte uns jemand den WiiM ohne Kommentar vor die Nase gestellt, wir hätten ihn wohl etwa auf das Dreifache seiner tatsächlichen UVP geschätzt. Mit einem Paar guter Boxen und vielleicht noch einem Plattenspieler hat man eine vollwertige, ausgezeichnet klingende Anlage, die ohne Ende Freude macht. STEREO hat daher die Gunst der Stunde genutzt und einige besonders gut zum WiiM Amp passende Lautsprecher und Plattenspieler herausgesucht. Wer hohen Wert auf Design und ausfgefallene Farbvarianten setzt, sollte außerdem einen Blick auf Pro-Jects Colourful Audio System werfen, das ebenfalls wunderbar mit dem WiiM Amp kombiniert werden kann.
WiiM Amp vs. WiiM Pro Plus
In vielen Punkten ist der 249 Euro teure WiiM Pro Plus eindeutig als Geschwister des WiiM Amp zu erkennen. So teilen sich die beiden dieselbe ausgezeichnete App und damit auch nahezu identische Streaming-Features.
Der Pro Plus setzt sich lediglich durch die hier bereits erfolgte Roon-Zertifizierung und die vorhandenen Einstellungen für MQA, die bei dem Amp fehlen, ab. Und natürlich dadurch, dass der Pro Plus keine Endstufen mitbringt und somit an einen bestehenden Verstärker angeschlossen werden muss. Er ist somit aber eine ausgezeichnete Wahl, um bereits bestehende Anlagen streamingtauglich zu machen, ohne dafür einen Kredit aufnehmen zu müssen.
Auch die sonstige Ausstattung ist hervorragend, inklusive D/A- und A/D-Wandler sowie digitalen Ausgängen in Koaxial und Optisch.