STEREO testet den Streaming-Receiver Marantz „Stereo 70s“
Marantz hat mit dem „Stereo 70s“ einen Streaming-Vollverstärker für die Zweikanal-Fraktion kreiert und ihn ausgestattet wie einen AV-Receiver. Ob er den Ansprüchen gerecht wird klärt der Test.

Bei der Entwicklung des „Stereo 70s“ war das Ziel des Kultherstellers Marantz nach eigenen Angaben, die etablierten Technologien und Komfortfunktionen aus den A/V-Receivern, etwa Audio-Streaming, in die Stereo-Welt zu überführen und dort mit der bekannt musikalisch-harmonischen Klangqualität zu verbinden, die Marantz berühmt machte. Und es ist nur natürlich, dass man dafür auch Sektionen wie den Videoteil nicht einsparte, sondern sich lediglich auf die Zweikanal-Optimierung konzentrierte.
Der Autor dieser Zeilen betreibt auch ein Stereo-Heimkino und weiß beispielsweise die fortschrittliche HDMI-Schnittstelle zu schätzen. Gut, hier sind es gleich sechs, davon drei 8k-fähig, und sogar Upsampling ist möglich. Das mag für manchen etwas Overkill sein, aber ist natürlich der Herkunft geschuldet, denn es gibt einen durchaus bauähnlichen Receiver namens Cinema 70s für die Fraktion A/V.
Ausstattung Marantz Stereo 70s
Doch der Stereo 70s weiß auch mit einem Plattenspielereingang (Phono-MM) und einem UKW/DAB+-Radio zu glänzen. Digitale Geräte lässt der Marantz über eine optische und eine koaxiale Schnittstelle sowie USB-A andocken und unterstützt sowohl PCM HD-Formate bis 24/192 als auch DSD bis 5,6 MHz. Dank Streaming ist natürlich gegebenenfalls auch Internetradio (TuneIn) mit an Bord.
Streaming von Musikdiensten, aus dem Heimnetzwerk, via AirPlay2 oder Bluetooth bietet der Marantz selbstredend ebenfalls. Lippensynchronisation von Bild und Ton übernimmt der Receiver automatisch, und auch Gamer werden sich über entsprechend geregelte Latenzen freuen. Im Standby-Modus leiten die HDMI-Anschlüsse die anliegenden Signale weiter.
Was den Marantz Stereo 70s darüberhinaus auszeichnet, wie er in verschiedenen Szenarien klingt und ob er neben dem Einsatz als Stereo-AV-Receiver auch für ein HiFi-Setup taugt, klärt unser ausführlicher Test!
Lassen Sie uns das Thema Stereo-Heimkino hier ganz kurz diskutieren, denn als Entscheidungsgrundlage sind Argumente aus der Praxis wichtig: Ein Heimkino – und sei es „nur“ ein größerer Flachbild-TV – profitiert enorm von einem adäquaten Ton, durch den das sinnliche Erlebnis erst komplettiert wird.
Verbesserung des TV-Sounds
Da gerade die angestrebte flache Bauweise der bildgebenden Geräte mangels Volumen einem begeisternden Klang entgegensteht, ist der Anschluss an eine hochwertige Stereoanlage die naheliegende Lösung. Denn die Illusion der räumlichen Wiedergabe beginnt mit Stereo, das ist bekannt. Das macht in den meisten Fällen einen Center-Lautsprecher zumindest verzichtbar. Das Heimkino in dieser Ausgabe hat auch keinen. Nun kommt ein heutzutage wirklich gutes Bild dazu. Und eine hochwertige Tonkulisse ist bei identischem Budget mit Zweikanal-Technologie wesentlich einfacher und vor allem preiswerter zu erreichen. Man kann sogar sagen, dass es fürs gleiche Geld ungleich besseren Klang aus zwei Lautsprechern als aus fünf oder sechs gibt, weil quasi jedem der Frontkanäle das dreifache Budget zugute kommt.
Ebenso bekannt ist, dass entsprechend konzipierte Zweikanal-Geräte fast immer höhere Ansprüche erfüllen können als vergleichbare, die für mehr Kanäle ausgelegt sind und dann im Stereobetrieb arbeiten sollen. Zudem wünschen die meisten Menschen auch keine Lautsprecherarmada im Wohnzimmer. Ich habe solche Versuche hinter mir. Das alles liegt auf der Hand und ist kaum abzustreiten. Und genau solche Tatsachen liegen der Produktplanung für dieses vorliegende Gerät zugrunde. Beim Hersteller selbst liest sich das über den Stereo 70s so: „Er vereint die Schlichtheit und Eleganz eines Zweikanal-Stereo-Systems mit dem warmen, weitläufigen und detaillierten Klang von Marantz.“
Aufgeräumt und edel: das Design des Stereo 70s
Das Design des Stereo 70s mit den an Carbon erinnernden Applikationen und dem runden Display stammt aus den aktuellen Premium-Komponenten von Marantz, sprich von den Vollverstärkern Model 30 und 40n, wo es auf sehr positive Resonanz stieß. Beim Modell 70s wurde es mit einer eher flachen Bauweise, „Slimline“ genannt, realisiert. Es wirkt sowohl aufgeräumt als auch ausgesprochen edel und wertig.

Auf die typische (überbrückbare) Klangregelung wurde nicht verzichtet, was wir ausdrücklich begrüßen, weil es die Verwirklichung eigener Klangvorstellungen gestattet oder kleine Korrekturen ungünstiger Aufstellung kompensieren hilft. Die innere Topologie des Stereo-Vollverstärkers ist komplett diskret ausgelegt, selbstverständlich kommen auch die legendären HDAM-Bausteine des Hauses Marantz zum Einsatz. Der Stereo 70s wird mit einer beleuchteten Fernbedienung ausgeliefert, lässt sich aber selbstverständlich sehr weitgehend auch mit der HEOS-App steuern, die sich nach kurzer Eingewöhnung gut handhaben lässt.
HEOS-Streaming eingebaut – leider ohne Qobuz
Die hauseigene und mit der Schwestermarke Denon geteilte HEOS-Plattform macht es zusammen mit der A/V-Architektur möglich, dass Audio-Streaming und Multiroom mit diesem Gerät tatsächlich außerordentlich einfach zu realisieren sind.
Zu kritisieren ist dabei allerdings, dass ein gerade unter HiFi-Fans sehr beliebter, aber vermeintlich weniger gängiger Streaming-Dienst wie Qobuz im Gegensatz etwa zu den angebotenen Spotify, Amazon HD und Tidal angekündigt, aber noch immer nicht implementiert wurde. Daran werde gearbeitet, hören wir von Marantz. STEREO weiß aus Leserbriefen, dass das Thema Anwender nervt. Immerhin erlaubt die HEOS-Plattform softwareseitige Anpassungen, sie sollten dann aber auch zeitnah kommen.

Die klanglichen Stärken des Marantz hat man in die Verantwortung des „Marantz-Soundmasters“ gelegt. Der mittlerweile namenlose Mann – wir vermuten eher ein ganzes Team – hat ganze Arbeit geleistet. Auch wenn wir ein klein wenig erwartet bis befürchtet hatten, das doch sehr an die A/V-Boliden der Marke erinnernde Äußere könne womöglich auch den Klangcharakter verändert bis verwässert haben, sind wir freudig überrascht.
Harmonisch: Der Klang des Marantz Stereo 70s
Der 70s ist ein echter Marantz, er klingt fein, dreidimensional und groß, dynamisch, fegt schnell und sicher um die Kurven und bleibt doch stets auf der sehr ausgewogenen bis minimal warmen Seite des Spektrums, was ihn zur langzeittauglichen und ermüdungsfreien Investition macht. Auch für den Kinoeinsatz baut er hinreichend Druck und Fundament auf, was die Impulsleistungsmessung von fast 2 x 230 Watt eindrucksvoll bestätigt. Das Netzteil ist ganz offensichtlich für die Stereowiedergabe ausgelegt und liefert entsprechend üppig Nachschub.

Wir haben den Marantz mit sehr hochwertigen Lautsprechern wie der DALI Epicon 6 im STEREO-Hörraum, aber ebenso in Wohnräumen und in einem Heimkino des Testredakteurs betrieben. Wir sind absolut überzeugt von der sehr vielseitigen und hochkarätigen Ausstattung dieses Gerätes, das sich als veritabler Tausendsassa erwies. Anpassungsfähig wie ein Zehnkämpfer und auch klanglich ein Killer.
So bezaubert der Marantz mit seinem durchsichtigen, sehr angenehm tiefengestaffelten Klangbild sowohl bei opulentem Orchester als auch etwa dem legendären Gitarren-Trio bei „Friday Night In San Francisco“, wo die angerissenen Saiten exzellent aufgelöst werden. Die reichlichen Explosionen etwa beim Film „Battleship“ vermittelt der kompakte Marantz ebenfalls beeindruckend, wenngleich die Konkurrenz einer mit am Start befindlichen 1,3-Kilowatt-THX-Endstufe von QSC hier etwas unfair anmuten mag. Elf Kilogramm Lebendgewicht des Marantz sind einerseits noch erfreulich „transportabel“ und versprechen doch solide Qualität.