Hart am Limit – Plattenspieler von Aldi und Tchibo im Duell
Taugliche Minimallösungen oder nur nett verpackter Elektroschrott? Kommt drauf an! Mit den USB-Plattenspielern Maginon HS-T08 und TCM 652083 testet STEREO, was sich an der analogen Basis tut.

Letztens hatten die Kollegen die Nase so richtig voll von meinem highendig vernebelten Blick auf die ja oft wenig audiophilen Realitäten der Audio-Welt. „Komm mal wieder runter“, hieß es. Und das Mittel dazu hatten sie schon bereitgestellt: zwei Plattenspieler aus einer Preis- und womöglich Qualitätsliga, die STEREO bislang noch nicht mal mit der Feuerzange angefasst hatte.
Dürfen wir vorstellen: Im seriösen Holzfurnier für die gepflegte altdeutsche Einrichtung präsentiert sich der von Aldi verkaufte Maginon HS-T08; die Bezeichnung 652083 gehört offenbar zum von Tchibo als „Tragbarer Retro Plattenspieler“ bezeichneten, in einer kunststoffbeschichteten, abwaschbaren Kiste mit Klappdeckel verbauten TCM-Modell, das sich ergo als flexibel einsetzbarer Mobildreher empfiehlt und dafür sogar einen integrierten Akku für bis zu vier Stunden Plattendudeln mitbringt. Praktisch, denn beim Picknick auf der grünen Wiese gibt‘s bekanntlich keine Steckdose. Der Hammer: Für beide zusammen mussten wir nicht mal 110 Euro anlegen: genauer 49,99 Euro für den Maginon beziehungsweise 59,95 Euro für den TCM.





Die Preise muten umso erstaunlicher an, als dass die Geräte tatsächlich Schallplatten abspielen können; LPs, Singles und sogar 78er-Schellacks. Erstere beiden natürlich in Stereo. Zu diesem Zweck haben sie einerseits kleine Lautsprecher an Bord, können aber auch über gebräuchliche Cinch-Kabel mit einem Gettoblaster oder der Stereoanlage verbunden werden. Außerdem digitalisieren sie die Schallplatten und übertragen die Musik auf Wunsch auf einen USB-Stick, der Maginon sogar alternativ auf eine SD-Karte. Dafür hat der TCM einen analogen „Line“-Eingang sowie eine Anschlussbuchse für Kopfhörer mit Miniklinke an Deck.
Gleichteilepolitik bei Aldi & Tchibo
Steht einem der Sinn gerade nicht nach Vinyl, lassen sich beide Plattenspieler flugs per Bluetooth etwa mit dem Smartphone verkoppeln, was in der Praxis auf Anhieb und ohne jede Holprigkeiten funktionierte. Tja, da müssen selbst die nicht selten hundertmal teureren Plattenspieler passen, mit denen wir uns sonst so abgeben.
Wobei klar ist, dass beide Dreher nicht als Kleinserie auf deutschen Werkbänken entstehen, sondern in tausendfacher Ausführung von chinesischen Bändern fallen. Na gut, das ist bei edlen iPhones ja auch nicht anders. Wir wetten darauf, dass beide aus derselben Fabrik stammen, denn die als Schutz vor Erschütterungen vorsorglich federnd aufgehängten Antriebseinheiten gleichen einander aufs Haar.
Schaut man auf die Details, müssen an die Bauweise hochpreisigerer Plattenspieler gewöhnte Zeitgenossen und insbesondere High-Ender gewisse Abstriche hinnehmen. So rotieren die Scheiben mit 33, 45 oder eben 78 Umdrehungen auf einem mickrigen, flachen und nur wenige Gramm schweren Plastikrundling, der mit einem Sprengring auf seiner Achse fixiert ist. In meiner ignoranten Arroganz dachte ich zunächst, es handele sich nur um einen Subteller, und stöberte deshalb so verzweifelt wie vergeblich nach einer „richtigen“ Plattenauflage im Karton. Doch Fehlanzeige: Das ist sie!
Gewöhnungsbedürftig sind auch die Stummelärmchen, die sich immerhin per Hebel anheben und bedämpft absenken lassen. An diesen lässt sich nichts verstellen, was andererseits den Vorteil hat, dass man sofort loslegen kann. Schwenkt man den Tonarm ein, beginnt sich die Schallplatte im per Schiebeschalter vorgewählten Tempo zu drehen. Es gibt eine aktivierbare „Autostop“-Funktion, die bewirkt, dass der Teller in der Auslaufrille anhält, wobei der Arm jedoch auf der nun stehenden Scheibe liegen bleibt.
Und das mit einiger Kraft. Unsere elektronische Waage ermittelte Auflagedrücke um 55 Millinewton. Verständlich, dass wir davor zurückschreckten, unsere wertvollen Referenzplatten bei den China-Krachern aufzulegen. Und bei neuen Vinyl-Scheiben, die ja oft 20 bis 30 Euro kosten, hätten wir ebenfalls Skrupel. Andererseits ist mancher von Ortofons älteren SPU-Klassikern ebenfalls nicht weit von solchen Werten entfernt.
Nadelwechsel nach 250 Stunden
Na ja, musste auch nicht sein, denn zum Glück lagen einige Platten mit K-TELs „Power Hits“ aus den Siebzigern bereit, die einst schon von Telefunkens „Mister Hit“ – dem hiesigen Urahn unserer zwei fernöstlichen Probanden – malträtiert wurden und entsprechend Kummer gewöhnt waren. Die Anbieter empfehlen übrigens den Ersatz der austauschbaren Nadel nach rund 250 Stunden Spielzeit. Vorausgesetzt, die Billigheimer, auf die es beruhigende drei Jahre Garantie gibt, halten so lang durch, möchte man ergänzen. Ersatz gibt’s etwa beim Analogversender „Die Nadel“ für 18,90 Euro, was bereits deutlich mehr als einem Drittel der Kosten für den kompletten Maginon entspricht.




Natürlich waren wir gespannt, was das Preis-Dumping-Duo von sich gibt. Dabei kamen zunächst die integrierten Lautsprecherchen zum Einsatz, die beim Maginon beidseitig in dessen Oberfläche eingelassen sind, während sie im TCM hinter einer Blende in der Frontplatte sitzen und nach vorne abstrahlen. Dass so keine Klangwunder zu erwarten sind, war klar. Hörte man beim Aldi-Dreher eigentlich nur reichlich verfärbte Mitten und Höhen, reichte der Tchibo-Spieler immerhin ein wenig weiter hinab und touchierte zumindest den Grundtonbereich, was auch daran liegen mag, dass bei ihm das Innenvolumen üppiger ausfällt als beim flachen HS-T08 und den Mini-Treibern so wie in einer Lautsprecherbox mehr Resonanzraum zur Verfügung steht.
Wer die Lautstärke nicht übertreibt, was vor allem der TCM mit hörbaren Verzerrungen quittiert, und zugleich seine Erwartungshaltung niedrig hält, mag das Ergebnis annehmbar finden. Schon in diesem Durchgang fiel uns auf – die Kollegen mussten zur Strafe mithören –, dass die Musik tendenziell runder, angenehmer und in Maßen fülliger tönte, wenn wir sie nicht vom integrierten Plattenspieler, sondern per Bluetooth zuspielten, was die erzielbaren verzerrungsfreien Pegel allerdings weiter reduzierte, weil nun mehr Bassanteile da waren, sodass die Chassis stärker auslenken mussten und entsprechend früher an ihre Grenzen kamen.
Hochwertigere Alternativen: die beliebtesten Plattenspieler ab 300€
Dies war freilich kein Problem mehr, sobald wir die Dreher selbst leise gestellt hatten und die Signale über die in der Lautstärke fixen Cinch-Kontakte an die HiFi-Anlage weitergaben. Einen externen Phono-Eingang am nachfolgenden Amp braucht es dabei nicht, der steckt bereits in den Plattenspielern selbst, die folglich an einen mit „Line“ oder „Aux“ beschrifteten Input angeschlossen gehören.
In dieser Konstellation erzielten wir eine tonal recht ausgewogene Wiedergabe, die hinsichtlich Räumlichkeit, Dynamik oder Auflösung freilich nicht am Ergebnis kratzen konnte, das sich mit vielfach teueren Zuspielern wie etwa T+As MP3100HV einstellte. Vielmehr tönte es hier ein wenig gedeckt, schaumgebremst und muffelig. Okay, dieser Vergleich ist höchst unfair, und für einfachere Anlagen, die oft über keine eigene drahtlose Verbindung verfügen, bilden Maginon und TCM brauchbare Bluetooth-Interfaces, um deren Möglichkeiten in diese Richtung zu erweitern.
Ausgewogener per Bluetooth
Allerdings verstehen wir die Bluetooth-Option hier nur als zweitrangig, sollen die beiden Riementriebler doch vor allem der womöglich allzu lange stiefmütterlich behandelten Plattensammlung zu neuer Aufmerksamkeit verhelfen, oder? Hört man also Schallplatten über die internen Lautsprecher ab, die ohnehin keine tiefen Frequenzen übertragen können, mag das Ergebnis gerade noch so angehen, wobei abermals der TCM leicht von seinem größeren Volumen profitiert. Dass dabei aufgrund der unmittelbar benachbarten Treiber von echter Stereophonie mit zumindest halbwegs realistischer Bühnenillusion keine Rede sein kann, liegt auf der Hand. Aber eine solche würde ja die Anlage mit ihren hoffentlich weiter voneinander entfernten Boxen liefern.
Wer nun erwartungsvoll die Kabelverbindung zu dieser nutzt, erlebt ein wahres Desaster. Der Sound – von Klang mögen wir in diesem Zusammenhang gar nicht erst sprechen – ist viel zu hell, grell, dünn und aufdringlich, der Bass ein Totalausfall. Die Wiedergabe gerät so weitestgehend schrill und inhomogen. Unsere Hoffnung, dass dies zumindest beim TCM, der das Phono-Signal auch per Bluetooth ausgeben kann, auf diesem Weg womöglich anders wäre, erfüllte sich leider nicht. Ebenso wenig, wenn wir einen Kopfhörer an den federleichten Mobilspieler anschlossen. Dann hat man den Kreisch-Sound direkt am Ohr: Arrgh!
Dass beide Hersteller ihre notgedrungen schwachbrüstigen eingebauten Chassis im Interesse höherer Pegel vor Bass bewahren wollen, können wir noch nachvollziehen. Aber, liebe Leute, geht es zur Anlage hin braucht es doch selbstverständlich ein breitbandiges, unkorrigiertes und möglichst naturbelassenes Phono-Signal – Preis hin oder her: Das macht schier fassungslos!
Messwerte




Unsere Vermutung, dass hier überhaupt keine fest vorgeschriebene Korrektur nach der RIAA-Vorschrift stattfindet, die den im Zuge des Schallplattenschnitts abgesenkten Tieftonsektor beziehungsweise die dann angehobenen Höhen bei der Wiedergabe spiegelbildlich „entzerrt“, erwies sich im Zuge der Messungen zwar als unzutreffend (siehe Frequenzgangdiagramme), doch unterhalb von 500 Hertz tut sich beinahe gar nichts mehr, fällt die Kurve jeweils fast ins Bodenlose steil ab. Auf die Rumpelmessung, eigentlich Standard bei Plattenspielern, haben wir deshalb gleich ganz verzichtet. Denn wo keine subsonischen Frequenzen auftreten, gibt es eben auch keine zu messen!
Eine Frage der Perspektive?
Im Falle eines Verstärkers mit Klangregelstufe lässt sich dem äußerst mageren Sound etwas entgegensteuern, indem man dessen Bassregler voll aufdreht und zugleich die Höhen deutlich reduziert, was die Schärfe zumindest mildert. Aber von Ausgewogenheit bleibt man natürlich weit entfernt. Dass anders als beim stillen TCM aus dem Innern des Maginon bei drehendem Tellerchen ein leises, oszillierendes Zirpen zu vernehmen war, spielte da schon kaum eine Rolle mehr. Und auch nicht, dass die Gleichlaufeigenschaften sowie die Einhaltung der Geschwindigkeiten aufs Ganze eher mäßig ausfallen, wie unser gänzlich neutrales Labor ermittelte.
Dies könnte man angesichts der ultragünstigen Kosten für unsere Aspiranten, die sich in jeder Hinsicht hart am unteren Limit bewegen, genauso verschmerzen wie deren schlackerige Tonärmchen oder die auf ihrem Achsdorn wackelnden Teller. Der fiese, schnell nervige, krächzige Auftritt per Vinyl über die Anlage verdirbt einem jedoch vollkommen den Spaß.
Und obendrein auch den an etwaigen Digitalkopien vom Vinyl, die man von den Probanden nebenbei auf einen Stick hat sichern lassen, um sie danach zum Beispiel über die USB-Schnittstelle im Auto zu hören. Wer die Plattenspieler als Stand-alone-Geräte nutzt, wobei wir TCMs mobiles Koffergerät aufgrund seines etwas besseren Klangeindrucks aus dem Spieler heraus selbst für den ausschließlichen Heimgebrauch vorziehen würden, mag sie okay finden. Und in gewissen Kreisen könnten diese sogar Begeisterung auslösen.
Sagen wir es mal so: Als Kind hätte ich mich über einen der beiden Dreher für meine Märchenplatten schier ein Loch in den Bauch gefreut. Heute darf man wohl konstatieren, dass es sich hier aus klanglicher Perspektive tatsächlich um kaum mehr als infantiles Spielzeug handelt. Und um zumindest den Vinyl-Sound dieses fürchterlich faszinierenden Duos über die Anlage grässlich zu finden, muss man, sorry Kollegen, durchaus kein HiFi-Snob sein, der die Welt durch seine High-End-Brille betrachtet. Die Preise sind hier sicherlich ganz heiß – aber eben nicht alles.
Testtabelle Duell Aldi-Tchibo-Plattenspieler
