So wirkt Musik auf unsere Emotionen
Gefühle und Musik trennen zu wollen, ist schwer möglich. Wie sich Musik auf die Psyche auswirkt und warum Stimmungs-Playlists auf Streaming-Plattformen der große Renner sind, lesen Sie hier.

Musik macht etwas mit uns. Diese Erfahrung haben wir sicher alle schon persönlich gemacht. Musik ist Schwingung. Das spürt man etwa auf Rockkonzerten, wenn einem die Basstöne in den Magen fahren und die Schläge der Basstrommel die Hosenbeine flattern lassen. Rockmusik ist dabei nur eine von vielen Spielarten der Musik. In ihr schlummern noch mehr als allein physikalische Kräfte.

Musik kann uns etwa ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Sie kann uns vom Hocker reißen und durch den Raum tanzen lassen. Musik kann uns eine Gänsehaut über den Rücken jagen oder Erinnerungen in uns wachrufen – gute wie schlechte. Sie wirkt ambivalent. Sie kann uns den Magen umdrehen. Sie kann uns beim Krimi oder gruseligen Filmszenen den Puls hochtreiben. Manche Musik möchte man nach drei Takten abstellen, während man die eigene Hitparade in Dauerschleife hören könnte.
Musikhören: Eine Wirkung wie „auf Speed“
Dem einen geht beim Hören von „Hotel California“ das Herz auf, der anderen bei Wagners „Ritt der Walküren“, jemand drittem vielleicht bei Herbie Hancocks „Watermelon Man“. Ja, Musik kann uns sogar das Gefühl vermitteln, „auf Speed“ zu sein. Das ist nicht nur eine subjektive Wahrnehmung, wenn man etwa seinen Lieblingssong hört – das ist sogar wissenschaftlich messbar.
Forscher wie Gunter Kreutz beschäftigen sich mit der Frage, wie Musik auf uns wirkt. Kreutz ist Professor am Institut für Musik an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Sein wissenschaftliches Interesse gilt im Besonderen der psychologischen, körperlichen und sozialen Bedeutung von Musik.

In der Hirnforschung wurden laut Kreutz Phänomene bei Menschen festgestellt, die Musik hören: „Das wird empfunden wie eine Belohnung. Das Hochgefühl, das Musik in einem auslöst, gleicht dem bei großer Freude oder der körperlichen Reaktion, wenn ich Drogen nehme. Als man bei Personen, die Musik hörten, die Gehirnströme gemessen hat, stellten die Forschenden, die die jeweiligen Scans auswerteten, ähnliche Effekte fest wie bei einer Droge wie Kokain“, so Prof. Kreutz.
Was ist der traurigste Song überhaupt?
Dabei kann das Musikhören jedoch nicht nur für Hochgefühle sorgen, es kann auch melancholisch machen. Auch das hat jede und jeder von uns sicher schon einmal erfahren. Wenn man nun eh eine Neigung zum Melancholischen hat, kann sich das auch im Musikgeschmack manifestieren, wie Gunter Kreutz weiß.
„Man kann jetzt nicht sagen: Jemand, der Gothic hört, hat eventuell ein psychisches Problem. Aber umgekehrt ist es nicht unwahrscheinlich, dass Menschen mit psychischen Problemen eher Stilen wie Dark Metal oder Gothic zuneigen“, so Kreutz: „Das ist zwar keinesfalls ein Diagnose-Instrument, aber es gibt einen Zusammenhang zwischen der Affinität zu düsteren Musikstilen und einer emotionalen Dysregulation – also dass man zu viel in trüben Gedanken hängt.“
Als traurigster Song überhaupt gilt nach einer von Nokia beauftragten Studie übrigens der Titel „The Drugs Don’t Work“ von The Verve. Laut dem Leiter der Studie, Dr. Harry Witchel, rührte er mehr Leute zu Tränen als jedes andere Lied.
Wie wird Musik im klinischen Einsatz genutzt?
Musik kann also in die eine wie die andere Richtung wirken. Sie kann uns nicht nur zum Weinen bringen oder – als zischelndes, technoides Beat-Gewitter aus dem Kopfhörer des Sitznachbarn in der S-Bahn – aggressiv machen. Sie kann auch durch gezielten Einsatz, wenn man die richtigen Emotionen trifft, die Gesundheit fördern.

Die Psychologin Dr. Dawn Rose von der Hochschule Luzern etwa hat herausgefunden, wie man Menschen, die unter dem Parkinson-Syndrom leiden, mit Musik helfen kann: „Ein Experiment von uns zeigte auf, dass populäre Musik mit einem gut wahrnehmbaren Puls den Parkinson-Patienten zu helfen scheint, ihre Bewegungen beizubehalten und zu koordinieren. Ursache könnte sein, dass bestimmte Songs, die man gut kennt und mag, einen zusätzlich beflügeln“, führt Rose, die selbst Schlagzeug spielt, aus. „Ähnlich, wie wenn Leute Musik beim Sport verwenden, um sich zu motivieren.“
Stimmungs-Playlists boomen
Kein Wunder, dass auf Streamingportalen sogenannte Mood-Playlists zuvorderst zu finden sind. Was früher ein Mixtape war, ist heute die Playlist. Damals wie heute kann das ein Ausdruck der eigenen Gefühlswelt sein. Marktführer Spotify etwa bietet unter dem Menüpunkt „Stimmung“ Playlists wie „Happy Hits“ oder „Happy Dance“, aber auch „Melancholia“ oder „Traurige Lieder“ an.

Letztere gibt es auch bei der französischen Plattform Qobuz, dort unter „Moods“ zu finden, neben diversen anderen Kompilationen für jede Stimmungslage. „Mood-Playlists sind mit die meistgefragten Playlists bei uns“, sagt dazu Mareile Heineke, die für Deutschland zuständige Country-Managerin von Qobuz. „Vor allem sind jene zu einem bestimmten Anlass beliebt, wie etwa zum Valentinstag, aber auch zum Alltag, wie der Jazz zum Feierabend etc.“ Bei Qobuz, erklärt Heineke weiter, verließe man sich nur wenig auf Softwares, um Playlists zu kompilieren – was eher untypisch ist.

An der Erstellung solcher Playlists durch Algorithmen, wie das bei Spotify gebräuchlich ist, wirkt mittlerweile die künstliche Intelligenz in nicht unwesentlicher Weise mit. Der Streaming-Platzhirsch aus Schweden hatte erst kürzlich die Implementierung von Googles KI-Tool „Gemini“ bekanntgegeben. Dabei verkündete man, dass Gemini bei Spotify Musik suchen kann, die sogenannten „Moods“ entspricht. Außerdem wird KI weltweit schon genutzt, um damit Musik zu generieren.
„Mood Music“ als eigenes Genre
Das funktioniert jedoch nicht für alle Genres, findet Diego Piñera. Der Jazzmusiker und -komponist sagt dazu: „Ich glaube, dass im Bereich des Jazz, wo die Dinge, die man komponiert, vom Moment, der Interaktion und der Improvisation leben, das menschliche Element weiterhin von großer Bedeutung sein wird. Die KI ist noch sehr weit davon entfernt – besonders was den emotionalen und spirituellen Aspekt betrifft.“

Doch auch wenn die KI noch nicht so weit ist, wie Piñera befindet, passen sich doch Komponierende und Musizierende in ihrem Schaffen an den Playlist-Boom an. So gibt es mittlerweile Musikschaffende, die sich auf „Mood Music“ spezialisiert haben – und Musiklabels, wie zum Beispiel Firefly Entertainment aus Schweden, die sich ausschließlich auf die Produktion von Musik-Content für Playlists konzentrieren.
Die beste Musik für einen guten Tagesstart
Das Genre ist beim Musikhören die eine Sache, die Klangqualität eine andere. Für jede und jeden HiFi-Affinen ist es doch im Grunde das höchste der Gefühle, dem Musikgenuss mit High-End-Equipment zu frönen. Da hört man das Lieblingsalbum doch gleich doppelt so gern. Der Verstärker ist angeschaltet, die Lautsprecher sind bereit – oder vielleicht ist Ihnen der Kopfhörer lieber? Wie auch immer, statt sofort die „Happy Hits“-Playlist auszuwählen, plagt Sie aber saisonal bedingt gerade eher der Winterblues? Vielleicht hilft da die Nachricht, dass mit dem 20. Januar, dem sogenannten Blue Monday, der angeblich deprimierendste Tag des Jahres schon hinter uns liegt.
Und nachdem nun obendrein klar sein sollte, welch beflügelnde Wirkung Musik haben kann, hätten wir da noch einen Tipp wider die trüben Gedanken: Eine Studie aus dem letzten Jahr enthüllt die zehn besten Songs, um am Tagesanfang in Schwung zu kommen. Bei der Analyse von über 600.000 Liedern aus Spotify-Playlists, in denen die Begriffe „Aufwachen“, „Motivation“ und „Wohlfühlen“ vorkommen, hat diese von einem britischen Schlafzimmerausstatter beauftragte Studie eine Rangfolge nach den Kriterien Energie, Tanzbarkeit und Wertigkeit erstellt.
Falls Ihr Geschmack hier nicht unbedingt getroffen wird: Die gesamte Wake-up-Playlist umfasst weit mehr als diese Top Ten, nämlich mehr als 200 Lieder – fast genug, um für den Rest dieses Jahres mit einem Lied auf den Lippen aufzustehen. Alternativ gibt’s auf Qobuz die „Blue Monday“-Playlist gegen Winterblues.
Mareile Heineke von Qobuz über das Kuratieren der Mood-Playlists
Wir fragten bei der Country Managerin Deutschland Österreich Schweiz von Qobuz nach, wie die Plattform bei der Erstellung von Playlists vorgeht.

Wie geht Qobuz bei der Erstellung einer stimmungsbasierten Playlist vor?
Wir gehen hier zumeist nach dem Rezept „Viele Köche verbessern den Brei“ vor, um möglichst viele Facetten unterzubringen und eine solche Playlist nicht zu subjektiv werden zu lassen. So stimmen wir uns möglichst mit mehreren ab.
Welche musikalischen Elemente sind besonders wichtig für bestimmte Stimmungen?
Tempo, Tonart und Instrumentierung. Dazu kommen natürlich noch die Lyrics, wohl gerade in deutscher Sprache, sofern man deutscher Muttersprachler ist und die Texte somit noch mehr „fühlt“.
Wie wichtig ist die Reihenfolge der Songs in einer Mood-Playlist? Gibt es bestimmte Strukturen, die dabei befolgt werden?
Das kommt auf die spezifischen Moods an. Sportorientierte Playlists etwa gehen typischerweise mit einem moderaten Einstieg los, werden dann immer „wilder“ zum Auspowern und enden anschließend mit einer Ruhephase. Eine Mood-Playlist wie zum Beispiel „Jazz zum Feierabend“ folgt keiner bestimmten Dramaturgie, sondern ist durchweg entspannt.
Welche Rolle spielt die Klangqualität der Tracks bei der Auswahl, besonders im Hinblick auf eine audiophile Zielgruppe?
Wir bei Qobuz empfehlen, wenn möglich unkomprimierte Musikformate – CD-/Lossless-Qualität oder Musik in Hi-Res-Audio – zu hören. So hat man ein reichhaltiges Hörerlebnis, ohne die Lautstärke übermäßig erhöhen zu müssen.