Qualität im Blick

A. J. van den Hul baut nicht nur, sondern ­repariert auch Tonabnehmer, darunter jede Menge Fremdprodukte. Manchen verpasst der Niederländer dabei nur seine scharfe Nadel, andere benötigen eine Totalrevision. In vielen Jahren hat er dabei manches erlebt sowie sein Feinhandwerk zu hoher Kunst entwickelt.

STEREO: Herr van den Hul, Sie sind 80 Jahre alt. Macht’s noch Spaß, Abtaster zu reparieren?
Van den Hul: Absolut, sonst könnte ich es gar nicht leisten, pro Jahr zwischen 800 und 1000 Pickups zu warten. Denn ich arbeite oft bis in den späten Abend hinein oder die Wochenenden durch.

Hand aufs Herz: Macht es Sinn, seinen betagten Tonabnehmer zum Service zu geben, oder liegt man mit einem Neukauf besser?
Da gibt’s keine Pauschalantwort, denn es spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle. Viele Hörer hängen geradezu an ihrem Pickup und wollen es auf jeden Fall repariert haben. Ein MC von Koetsu etwa bleibt in der Familie und wird ebenso weitervererbt wie eine wertvolle Uhr. Die geht ja auch irgendwann mal in die Revision. Mit Tonabnehmern ist es nicht anders. Dass viele MM-Abtaster eingereicht werden, hängt damit zusammen, dass die Wechseleinschübe von minderer Qualität sind. Daran haben die Hörer dann keinen Spaß und lassen lieber das verbrauchte Original aufarbeiten.

Lässt sich denn prinzipiell alles reparieren?
Grundsätzlich ja, wobei ich keine alten Deccas mehr annehme, weil die hochkompliziert und anfällig sind. Aufgrund ihrer dünnen Spanndrähte lehne ich auch die 1000er-Modelle von Audio-Technica und Denon ab. Sonst ist fast alles möglich, bis hin zum klang­lichen Fein­abgleich mittels der Dämpfung. Ich besitze eine große Zahl verschiedener Gummis, mit denen sich der Klang in Richtung dynamisch oder homogen gestalten lässt.

So bedienen Sie Kunden auf der ganzen Welt!
Stimmt! Ich habe schon kiloweise exotische Briefmarken. Überhaupt ist das Thema der Verpackung ein besonderes. Wie manche Leute ihren Abtaster auf den Weg schicken, lässt zweifeln, dass ihnen an ihm etwas liegt. Letztens wurde einer nur im Umschlag rund um den halben Globus zu uns in die Niederlande geschickt. Tatsächlich geschieht es auch immer wieder, dass der Absender fehlt. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass irgendwann mal jemand anfragt, was denn aus seinem Tonabnehmer geworden sei. Manchmal ist es wirklich abenteuerlich, jedoch irgendwie auch unterhaltsam.

Sie sind der Erfinder der scharfen Van-den-Hul-Nadel. Wollen diese viele Kunden für ihren Abtaster?
Das ist durchaus ein Grund, uns zu kontaktieren. Ich halte aber auch andere Schliffe vor. Doch wo immer möglich und gewünscht, kommt ein VDH-Diamant Typ 1, so die Bezeichnung, auf den Nadelträger. Beim Blick durchs Mikroskop, aus dessen Licht ich seit jeher die UV-Anteile filtere, was mir meine gesunden Augen erhalten hat, sehe ich oft, dass die kurvenäußere Flanke stärker abgenutzt ist als die innere. Das lässt auf eine zu starke Kompensation der Skating-Kraft schließen. Schuld daran sind die Testplatten mit ihren 80-, 90- oder gar 100-Mikrometer-Signalen, die eine zu stramme Antiskating geradezu provozieren. Das sind praxisferne Extrempassagen. Übliche Schallplatten sind nicht so hoch ausgesteuert, kommen kaum über 50 µm. Deshalb sollte man hier weniger scharf rangehen! Darauf sollte man die Hörer unbedingt hinweisen.

Das war uns gar nicht bewusst. Welche typischen Fehler beobachten Sie noch?
Obwohl jede Bedienungsanleitung davor warnt, die Anschlusskabel anzulöten, passiert das immer wieder; mit der Folge, dass im Innern die feinen Spulendrähtchen verglühen. Obendrein gibt es immer noch Nassfahrer, in deren Tonabnehmern sich aufgeschwemmter Schmutz als Fettpropfen ablagert. Wenig appetitlich, muss ich sagen. Abtaster aus China, Südostasien oder Hongkong zeigen aufgrund des Klimas und der Luftver­schmutzung starke Oxidation ihrer Weicheisenteile.

Was kostet eine Reparatur beim Tonabnehmerpapst?
Das hängt stark vom Einzelfall ab. Kommen die Aufträgen über den Handel und unsere Distributoren, nimmt der Zwischenhandel Einfluss. Die von mir zum Beispiel für eine Nadel auf Bor-Stäbchen berechneten 150 Euro können sich so bis zum Kunden leicht verdoppeln oder gar verdreifachen. Das finde ich traurig, bin aber machtlos. Wenn deshalb eigentlich gute Abtaster in den Müll wandern, weil den Besitzern die Reparatur zu teuer wird, tut mir das in der Seele weh.

„Fast alle Tonabnehmer lassen sich aufarbeiten“

In Ostwestfalen sei eh nichts los, heißt es – Zeit und Muße, defekte Abtaster instandzusetzen. Franz-Josef Schulte ist ein Meister dieses Fachs.

Was man für eine Hobby-ähnliche Freizeitbeschäftigung für den Feierabend halten könnte, entpuppt sich als Vollzeitjob. Tatsächlich ist die Nachfrage so groß, dass Franz-Josef Schultes Beruf wie Passion darin besteht, nicht nur MCs, sondern alle Arten von Tonabnehmern zu reparieren. Sein in Büren nahe Paderborn ansässiger FJS Tonabnehmer Service beschäftigt aktuell sogar noch zwei Angestellte, die Schulte vor allem logistisch zuarbeiten, und bezieht deshalb just neue, größere Räumlichkeiten.

Seinen Ursprung hat Schultes Engagement im Aufarbeiten von Abtastern aus dem Hause B&O. Durch deren spezialles Stecksystem können sie nicht einfach gegen andere ausgetauscht werden. Für diese hat man weltweite Kundschaft und lässt Ersatzteile in der Schweiz anfertigen. Ansonsten sitzen Schultes Lieferanten vor allem in Japan, aber auch hierzulande oder in Skandinavien. Von dort kommen etwa fix und fertig bestückte Nadelträger aus Aluminium oder Boron, aber auch einzelne Diamanten mit zum Teil exotischen Schliffen, die von der Kundschaft gewünscht werden.

Wer meint, Schulte bekäme nur elitäre Preziosen unter die Finger, liegt falsch. Zuweilen wundert er sich selbst, was ihm der Postbote zustellt. Nicht selten könnte der Kunde für die Kosten einer Reparatur einen neuen Tonabnehmer, womöglich sogar einen besseren erwerben. Doch viele Hörer hängen offenbar an ihrem System, verbinden Erinnerungen und Emotionen mit ihm. So gehen regelmäßig abgenudelte AKG- oder ELAC-Abtaster ein, deren Gummidämpfer nach Jahrzehnten fertig sind und die dazu einen neuen Diamanten benötigen.

Da Schultes Preisliste bereits bei 99 Euro etwa fürs Einsetzen eines Alu-Stäbchens mit elliptischer Nadel startet, lohnt der Aufwand auch für günstigere Abtaster. Nach oben reicht die Spanne für Komplettrevisionen mit edlen Teilen bis etwa 800 Euro. Der Ostwestfale weiß, dass die Summe zweitrangig wird, wenn ein Vinylhörer seinen Lieblingstonabnehmer tiptop instandgesetzt in Händen hält. Die Chance dafür ist hoch, denn „98 Prozent aller defekten Abtaster lassen sich reparieren“.

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