Zum Glück hat sie nicht aufgegeben, sondern mit ihrem Produzenten Rob Ellis und Musikern wie Warren Ellis von den Bad Seeds oder dem Singer/Songwriter Ed Harcourt berührende Lieder aufgenommen. Die Ballade „No Moon In Paris“ ist das traurigste Stück der Platte. Wenn Marianne Faithfull mit ihrer brüchigen Stimme „It’s very lonely here tonight ... what can I do but pretend to be brave?“ singt, dann nimmt sie den Zuhörer vollkommen gefangen. Auch das melancholische „Misunderstanding“, bei dem die Streicher schluchzen, handelt von Einsamkeit. „They Come At Night“ setzt sich mit dem Attentat im Pariser Club Bataclan auseinander. „Born To Love“ ist eine Hommage für Anita Pallenberg. Piano und Geige eröffnen „The Gypsy Faerie Queen“, ein Duett mit Nick Cave. Bob Dylans „It’s All Over Now, Baby Blue“ covert Marianne Faithfull hingebungsvoll.
Und mit „As Tears Go By“ schließlich stellt sie unter Beweis, dass ihr Klassiker nichts an Schönheit eingebüßt hat. Da kann man schon ein bisschen nostalgisch werden ... Ohne dabei zu vergessen, dass Marianne Faithfull als Künstlerin wie ein guter Wein ist: Sie wird mit den Jahren immer besser.
Dagmar Leischow
Marianne Faithfull | Negative Capability
Skandale und Exzesse sind Marianne Faithfull keineswegs fremd. Sie war Mick Jaggers Geliebte, nahm Drogen, wurde zeitweilig obdachlos. Heute führt die 71-jährige Britin ein beschauliches Leben in Paris – geplagt von Arthritis. Ihre Schmerzen sind so schlimm, dass sie nicht wusste, ob sie ihr Album „Negative Capability“, das Pop mit Folk verwebt, überhaupt jemals zu Ende bringen können würde.
