Da lag es nahe, dass Wilson auch ihre eigene Musik entsprechend benennt. Der Stilbegriff „Bell Bottom Country“ steht laut eigenem Bekunden für ihre Ästhetik, für den unbekümmerten Hippie-Spirit der Siebziger, für den Stolz auf ihre Rednec-Abstammung und den breiten Südstaatenakzent. Musikalisch drückt das „Mädel vom Lande“ all das in einer rustikalen Mischung aus traditionellem Country und Southern-Rock aus. Dazu singt bzw. shoutet sie lauthals ehrliche Texte über das Treiben in der Provinz („Small Town, Girl“), den Feierabend in einer Kneipe („Dirty Looks“), den Einfluss, den ihr Vorbild Dolly Parton bis heute ausübt („WWDD“), und jene Männersachen, die im Süden der USA auch die Frauen können: schießen, Fische fangen, Reifen wechseln („Things A Man Oughta Know“).
Wenn’s mit rechten Dingen zugeht, wird Lainey Wilson mit ihrem Major-Debüt der Durchbruch gelingen. Den hat sie dann sicher nicht zuletzt auch Grammy-Gewinner Jay Joyce zu verdanken. Er hat den hemdsärmeligen Songs seines Schützlings schließlich den gewinnenden modernen Sound verpasst. Ohne seine Studiofinessen wäre „Sayin’ What I’m Thinkin’“ wohl nur halb so gut.
Harald Kepler