Bob Dylan | The Rolling Thunder Revue

Zum profunderen Verständnis der zehneinhalb Stunden hier im Schuber gebotenen Musik ist die Netflix-Produktion „Rolling Thunder Revue: A Bob Dylan Story by Martin Scorsese“ sehr zu empfehlen. Denn die macht optisch in vielen Facetten das ganze Chaos sinnfällig, das dieses Projekt in Dylans Schaffen umgab. Der ­Dokumentarist Scorsese artikuliert dort durch die Montage des ­gefundenen Materials seine Empfindungen und Erkenntnisse zu Musikern und Musik so luzid, dass er genau genommen deren bester Kritiker ist.

Das neue Box-Set bietet unendlich viel mehr als der „Hard Rain“-Verschnitt oder Vol. 5 der Bootleg Series zuvor, nämlich fünf komplette Konzerte der ersten Tournee-Hälfte auf zehn CDs, dazu auf mehreren CDs drei Probenmitschnitte, auf der letzten ein Dutzend weitere Live-Aufnahmen. Die Proben vermitteln einen guten Einblick in den kreativen Prozess, in dessen Verlauf sich erst die fertigen Arrangements für viele Songs entwickelten – von denen Dylan und Band dann im Verlauf der Tournee aber immer wieder abwichen. Am auffälligsten beispielsweise bei der Version von „Tonight I’ll Be Staying Here With You“, bei der Dylan beim Auftritt in Montreal einen komplett anderen Text sang!
Songs wie „Romance In Durango“ waren neu für die Konzertgänger, weil zu dem Zeitpunkt noch nicht auf „Desire“ veröffentlicht. Begleiter durften an Violine und Dobro bei alten Folksongs wie „Mama, You Been On My Mind“ brillieren, und auf ungewohnt viele akustische Einlagen wie „Tangled Up In Blue“ reagierten Besucher erfreut. Faszinierend sind hier Raritäten wie „I Dreamed I Saw St. Augustine“ als Tex/Mex-Ballade.

Franz Schöler

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