
Flying With Angels
Suzanne Vega
Suzanne Vega ist eine Singer-Songwriterin, die sich nie davor gescheut hat, den Finger in Wunden zu legen. Mit ihrem Hit „Luka“ etwa hat sie Kindesmissbrauch angeprangert. Auf ihrem neuen Album dreht sich alles irgendwie um das Thema Kampf – sei es um den Kampf um das Überleben oder über den Kampf um das Sprechen. Allein wegen der klugen, sehr zeitdiagnostischen Texte lohnt es sich, dieser Platte viel Zeit zu schenken. Etwa wenn die Amerikanerin im filigranen „Last Train from Mariupol“ einen Bogen zum Ukraine-Krieg schlägt. Die Traurigkeit, die dieser Folksong ausstrahlt, überwältigt einen einfach. Bei „Speaker’s Corner“ glänzt eine eingängige Melodie neben Suzanne Vegas eindringlichem Gesang. Die Musikerin denkt über Redefreiheit nach, wobei sie wohl nicht nur auf die Institution im Londoner Hyde Park anspielt, sondern auch auf Social Media. Dort werden neben Wahrheiten bekanntlich viele Lügen verbreitet, oft ist es gar nicht so leicht, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. „Rats“ scheint inhaltlich in eine ähnliche Richtung zu streben. Die Ratte ist in diesem Stück eine Metapher für jene Leute, die die Apokalypse heraufbeschwören. Mit rockigen Elementen nähert sich die New Yorkerin hier dem Post-Punk an. „Witch“ steigert sich zu einer kraftvoll-unheilschwangeren Nummer. „Flying With Angels“ ist eindeutig im Pop verankert. In „Chambermaid“ darf ein dezenter Countryrhythmus in der zweiten Reihe auftreten. „Love Thief“ deutet Soul an. Bei „Linda“ darf die E-Gitarre wieder auftrumpfen. „Alley“ kommt im Sphärischen an. Mit dem folkigen „Galway“ klingt das Album schließlich aus. All das dürfte bei langjährigen Fans auf offene Ohren stoßen – zumal Suzanne Vega in Zeiten, in denen Popmusik von halb so alten Kollegen oftmals ins Belanglose abzudriften scheint, nach wie vor eine wohltuende Ausnahmeerscheinung ist.
Musik: | Sound:
Cooking Vinyl10.04.2025 | Rezensent: Leischow, Dagmar