Liebesinstrument

Im Herbst seines Lebens brach für Leos Janácek noch einmal ein neuer Frühling an: Die Begegnung mit der fast 40 Jahre jüngeren Kamilla Stösslova – wie er selbst anderweitig verheiratet – wirkte wie ein Jungbrunnen und weckte neue schöpferische Kräfte: Von seinen frischen, in rund 800 Briefen dokumentierten Gefühlen inspiriert, schuf der mährische Komponist in den letzten acht Lebensjahren eine ganze Reihe großer Werke, die wir seiner wohl (körperlich) unerfüllten Liebe verdanken. Dazu gehören neben der Oper »Katja Kabanowa« auch die beiden Streichquartette.

Das zweite, mit dem unmissverständlichen Titel »Intime Briefe«, hätte ursprünglich nicht nur – noch deutlicher – »Liebesbriefe« heißen, sondern außerdem die übliche Bratsche durch eine Viola d´Amore ersetzen sollen: ein ausdrückliches Liebesinstrument also.

Der Bratschist Gunter Teuffel hat nun, mit Hilfe des Janácek-Kenners Milan Skampa, eine mögliche Urfassung dieses zweiten Quartetts rekonstruiert und sie gemeinsam mit dem Mandelring-Quartett aufgenommen – für eine SACD, die auch die etab- lierte Fassung und das erste Quartett enthält. Die reizvolle Gegenüberstellung ermöglicht einen spannenden Vergleich und lässt uns erahnen, wie der Komponist das Stück gemeint haben könnte. Die siebensaitige Viola d´Amore gibt dem Gesamtklang eine etwas weichere, silbrige Farbe und lässt die leisen Flüsterstellen noch intimer wirken. Auch sonst ist die Aufnahme sehr ausdrucksvoll und intensiv: Das Mandelring-Quartett betont den eruptiven, mitunter fast collagenhaften Charakter der Musik, indem es die schroffen Kontraste schonungslos scharf aufeinanderprallen lässt. Hier spricht die hitzige Emotionalität eines jugendlichen Liebenden von 74 Jahren.

Marcus Stäbler

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