Wagner à la française

Den Namen kennen wohl auch eingefleischte Opernliebhaber kaum: Victorian Joncières. Nun ja, der hieß ja auch nicht so, sondern Félix-Ludger Rossignol, aber unter dem Pseudonym Victorian Joncières komponierte er, war zugleich ein einflussreicher französischer Musikkritiker und war in beidem, in seinen Kritiken wie in seinem Komponieren, bedingungsloser Wagner-Anhänger. Just im Bayreuther Eröffnungsjahr 1876 kam auch Joncières’ Oper „Dimitri“ zur Uraufführung und liegt jetzt erstmals in einer Aufnahme vor – wohl die erste Einspielung einer seiner Opern.

Und eine großartige Entdeckung. Sozusagen ein wagnerischer „Boris Godunow“ à la française (der Stoff geht auf Schillers „Demetrius“ zurück, auch Dvorák hat ihn vertont). Joncières’ Musik fasziniert durch ihre flotte, temporeiche Vitalität und melodische Schönheit; vieles erinnert in den besten Passagen – und davon gibt es viele – an Wagners Musiksprache im „Rienzi“ und in den großen Aufzügen, den Blechbläser-Fanfaren und Chören, an den „Tannhäuser“. Dennoch ist es in stilistischer Hinsicht keine epigonale Musik im Sinne von „in der Nachfolge Wagners“, sondern trägt durchaus eigene Züge, was nicht zuletzt den Spielorten der Handlung geschuldet ist – Polen und Russland.

Erfreulich sind auch die Sänger – allen voran Philippe Talbot, der mit silberhellem Timbre, eleganter Tongebung und stupender Höhensicherheit fast ein bisschen an den jungen Juan Diego Flórez erinnert. Auch Gabrielle Philiponet als Marina kann sich hören lassen, und die Mezzosopranistin Nora Gubisch macht als böse Intriganten Marfa einen grandiosen Eindruck.

Werner Pfister

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