Dem Pianisten Yunus Kaya gelingt hier eine altmeisterlich gelassene Synthese, die man nur bestaunen kann. Die massiven Capricci des op. 116 sind von erheblicher Wucht und Farbigkeit, dabei agogisch durchaus frei und wachsen etwa im Mittelteil des g-Moll-Capriccios zu einer hinreißenden hymnischen Fülle. Doch er hält Maß. Die etwas rhetorische Schlussapotheose der Nr. 7 bleibt relativ verhalten. Nocturnehaft zarte Intermezzi wie das in E-Dur op. 116 Nr. 4 bestechen weniger durch zartinniges Monologisieren als durch eine vollendet-ökonomische Kunst der Verdichtung. Kaya lässt die Akkorde des Mittelteils fast ungerührt, aber sehr kontrolliert herabrieseln, erst die folgenden espressivo-Takte erfahren eine unverhoffte, den Ablauf verdichtende Spannungssteigerung.
Im nicht gerade eingängigen f-Moll-Intermezzo op. 118 Nr. 4 beginnt er wispernd-trocken, färbt den simpel imitierenden Mittelteil nur minimal ein, um die polyfone Verdichtung der Schlussseite mit glühender Intensität zu inszenieren. Diese sparsame Dramaturgie mag geliebte Passagen, etwa in den Intermezzi des op. 119, etwas unverbindlich und ledrig wirken lassen, doch lenkt uns Kaya stets zum wesentlichen Augenblick, den er unübertrefflich ausfeilt und beleuchtet. Eine überragende Aufnahmetechnik tut dabei das Ihre.
Matthias Kornemann