Nach Glinkas launiger Ouvertüre zur Oper „Ruslan und Ludmila“ – von dem Pianisten mit geradezu überbordender Spiellaune dargeboten –, die wie ein theatralischer Vorbote für das Kommende anmutet, folgen die schönsten Klavierpreziosen von Tschaikowski – kleine Charakterstücke, mal heiteren Inhalts, mal tänzerisch rustikal und mal melancholisch versonnen. Sudbin gelingt hier eine feine Balance zwischen Hell und Dunkel, zwischen Erregung und Ruhe, sodass sich die einzelnen Teile zu einem Ganzen fügen, an dessen Ende Sudbins brillante Bearbeitung von Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ alle vorangegangenen expressiven Momente noch einmal konzentriert vereint.
Die dezente Kultiviertheit seines Spiels lässt Sudbin instinktsicher den jeweils richtigen Ton treffen: rhythmisch pointiert, ohne ins musikantisch Derbe abzugleiten, gestaltet er die Humoreske op. 10, gewinnt dem an Liszt gemahnenden „Chant élégiaque“ ein Höchstmaß an sinnlicher Morbidezza ab und lässt die dramatischen Momente in „Romeo und Julia“ ohne Effekthascherei als pianistisch reines Feuer lodern. Die Schönheit der Musik und die erlesene Darbietung durch den seit 1997 in Großbritannien wohnenden Pianisten verkünden in verheerenden weltpolitischen Zeiten aber auch die Botschaft von der (einstigen) Zivilisiertheit Russlands.
Frank Siebert