Mit Milford Graves war es erstaunlicherweise das erste Treffen. Für Wadada war Milford ein „Sonic Herb Healer“, „ein Heiler mit Klängen“, der in „Baby Dodds In Congo Square“ zur gestopften Trompete die Geburtsstunde des Jazz wiedererweckt. Nur anderthalb Jahre nach den letzten Aufnahmen der „Sacred Ceremonies“ starb der Masterdrummer 79-jährig am 12. Februar 2021.
Jeder Ton, jede Phrase, jedes Motiv in Smiths Musik ist eine kompositorische Zelle. Faszinierend, wie der E-Bassist Bill Laswell auf CD 2 mit Schleiftönen, Akkorden und Flageoletts agiert. Bereits 2012 und 2014 hatten beide für TUM Duoalben herausgebracht. In „Prince – A Blue Diamond Spirit“ sind es gleich drei E-Bässe, funky und sphärisch, als würde Miles Davis mit Jaco Pastorius jammen. Bei „Tony Williams“ geraten beide wie in Trance, gefolgt von einer höhlenförmigen „Mysterious Night”, die etwas von Miles’ „He Loved Him Madly” hat. CD 3 präsentiert das brillante Trio aus Wadada/Laswell/Graves. „Social Justice“ greift Ideen von Ornette Colemans Prime Time auf, und ein Sly-Stone-verdächtiges Riff schlängelt sich durch „Truth In Expansion“.
Für Smith ist das Solo die natürlichste Musizierform. Jedes vierte, fünfte Smith-Album seit 1971 hat unbegleitete Soli, darunter 1993 die tönende Autobiografie „Kulture Jazz“. Aus einer hölzernen Dorfkirche in Pohja westlich von Helsinki kam 2016 die solistische Tour-de-force für die zweite neue Dreier-Box bei TUM: „Trumpet“. Eine Ode an Stille und Vergänglichkeit, Variationen über den Kurosawa-Film „Rashomon“. Erinnerungen an Vorkämpfer und Weggefährten wie Leroy Jenkins und James Baldwin. „Discourses On The Sufi Path“ ist pure Meditation. In „Unselfish Love“ zeigt sich die Schönheit in langen Tönen. Wadadas erste Komposition war ein Stück für drei Trompeten. Auf „Trumpet“ singt der Solitär durch ein Metallhorn.
Karl Lippegaus