Auch wenn Cho am Klavier die Klangebenen subtil mischt und vorsichtig mit dem Pedal ineinanderfließen lässt, so wünschte man sich dennoch eher ein Orchester in Verbindung mit Goernes Gesang. Ähnlich der Eindruck bei den Wesendonck-Liedern. Warum? Goernes Stimme klingt so resonanz- und farbenreich, so nuanciert, dass Chos Feinheiten der Klavierbegleitung zwar überzeugen, ein Orchester allerdings per se nicht ersetzen können, ob beim schroffen Beginn von „Schmerzen“ oder in den sinnlichen Tonwiederholungen von „Träume“.
Hans Pfitzners Lieder haben heute einen eher schweren Stand, aus verschiedenen Gründen. Goerne hebt ihren Wert als Kunstwerke ungeschminkt hervor, weil er jede Not ernst nimmt, etwa in der schlichten Gestaltung von „Sehnsucht“ nach einem Liliencron-Text oder in der energisch-abschiedsschweren „Wasserfahrt“ nach Heine – ein Lied, das stellenweise opernhafte Züge annimmt und sich dann wieder ins Intime zurückzieht: anderthalb Minuten Gefühls-Achterbahn.
Wie genau Goerne Farben und Tonräume zueinander in Beziehung setzt, zeigt sich in Strauss’ „Traum durch die Dämmerung“, wenn sonore Tiefe und hohe Sehnsuchts-Klänge nahtlos auseinander erwachsen und ineinander- gleiten. Ein in seiner Zusammenstellung ungewöhnliches, reichhaltiges Album, künstlerisch ausgereift.
Christoph Vratz