Und so ist dieser Mitschnitt eines Konzerts aus der New Yorker Carnegie Hall tatsächlich das letzte verbürgte Lebenszeichen des aktiven Musikers Jansons. Und beinahe wäre dieser Auftritt zur „Unvollendeten“ geworden, denn während der Pause haben die Verantwortlichen hinter den Kulissen versucht, den sichtlich angeschlagenen Dirigenten zum Abbruch zu bewegen. Doch für Jansons war Schonung ein Fremdwort, am meisten sich selbst gegenüber.
Und so dirigierte er nach den Vier sinfonischen Strauss-Zwischenspielen aus „Intermezzo“ nach der Pause die Vierte von Brahms und, als Zugabe, den fünften „Ungarischen Tanz“. Auch in diesem Konzert hat Jansons sich nicht geschont. Er lebte für die Musik, und seine Musiker setzten diese Besessenheit noch einmal in Klänge um: träumerisch, ausgelassen, dreiviertelselig bei Strauss, tiefgründig, seufzerisch, straff, aufbrausend und nachdenklich bei Brahms. Bei beiden Komponisten stellt sich außerdem eine erzählerische Komponente ein, Werke ohne Worte zwar, dennoch beredt und ungemein dicht in den jeweiligen Stimmungen, unberechenbar im besten Sinne, spontan, voller Behutsamkeit, zugleich voller innerer Dramatik. Als hätten sie für ihn gespielt, für Jansons, der dem Orchester über Jahre so viel gegeben hat – und von ihm bekommen hat.
Christoph Vratz