Der in früheren Werken spürbare Einfluss von Debussy und Ravel ist fast verblasst, einige Stücke erinnern vielmehr an Klanggebilde der Zweiten Wiener Schule oder scheinen in die spirituelle Sphäre eines Olivier Messiaen einzutauchen. Vergebens sucht man nach folkloristischer Politur, die Mompou durchaus in anderen Werken verwendete.
Die „Música callada“ ist auch ein absoluter Solitär in der Geschichte der Klaviermusik. Der improvisatorische Charakter vieler Stücke lässt sie seltsam körperlos erscheinen, verweist eher auf ein metaphysisches Geschehen. Mompou hat sein Werk selbst als einen „schwachen Herzschlag“ charakterisiert. Als feinsinnige Gestaltungskünstlerin nimmt Lilit Grigoryan diesen schwachen Herzschlag auf und lässt ihn ruhig durch das gesamte Werk pulsieren. Nie überreizt sie die Musik ins Plakativ-Expressive, sondern folgt dem stillen inneren Impuls und schafft ganz im Sinne Mompous differenzierte Seelenräume. So gelingt ihr, das Werk als große Einheit darzustellen, einen meditativen Schwebezustand zu erreichen, der gleichsam unausgesprochen auf den spanischen Mystiker San Juan de la Cruz verweist, dessen Schriften Mompou bei der Komposition beeinflussten.
Die in vier Bände aufgeteilten 28 Klavierminiaturen, zwischen 1959 und 1967 veröffentlicht, haben in ihrer ruhigen Gangart – allein zwölf Stücke sind mit der Vortragsbezeichnung „Lento“ versehen – die Aktualität des Unzeitgemäßen, setzen einen stillen Kontrapunkt zum Informationschaos der Social-Media-Gesellschaft.
Frank Siebert