Zuerst mag der an amerikanischer Musik Interessierte leise enttäuscht sein: Was, schon wieder die „West Side Story“, von Ives schon wieder nur die Dritte? Doch zum einen gibt es auch seltener servierte Kost: Von Barber etwa die „School For Scandals“-Ouvertüre und die „Toccata festiva“ für Orgel und Orchester. Ersteres Werk zeigt, wie meisterhaft Barber schon als 20-Jähriger komponierte, das zweite, wie wenig er seinen Personalstil 30 Jahre später verändert hatte. Ruth Crawford-Seegers Andante für Streicher ist das kürzeste, das avantgardistischste – und das früheste Werk der Sammlung, stets aufs Neue frappierend in seiner hochindividuellen Behandlung von Textur und Harmonik.
Und auch in den beiden „Hits“ gibt es viel zu entdecken: So gestaltet Gaffigan die Tänze aus Bernsteins „West Side Story“ einmal nicht als peppiges Potpourri der bekanntesten Nummern, sondern als ernstes, durchaus eigenständiges Opus mit stimmiger Dramaturgie. Bernsteins unverkennbare Orchestrationskunst wird durch die phänomenale Klangtechnik noch zusätzlich hervorgehoben. Und Ives’ Sinfonie mit dem Untertitel „The Camp Meeting“ wird von Gaffigan weder zu einem spätromantischen Schinken aufgeplustert noch als Avantgarde vor der Zeit verkauft. Die dissonanten „Schattenstimmen“ sind ebenso gut vernehmbar wie sie sich stets diskret im Hintergrund halten – Schatten eben. Dieses Album hat durchaus Referenzqualitäten.
Thomas Schulz