Glücklicherweise haben die künstlerischen Aktivitäten des 34-jährigen Deutschen aus Nishni-Nowgorod unter seinen regen außermusikalischen Wortmeldungen noch nicht gelitten. Dies belegt eindrucksvoll sein neues Vier-Stunden- Album, das voll auf der Höhe der bisherigen Levit-Aufnahmen steht. Es handelt „Von (oder: „Über) DSCH“ und vereint Schostakowitschs bedeutendstes Klavierwerk, das 1950/51 unter dem Eindruck von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ entstandene Opus 87, mit der zehn Jahre jüngeren „Passacaglia“ des Schotten Ronald Stevenson (1928-2015), der das Viertonmotiv D-Es-C-H zum Ausgangspunkt einer 80-minütigen musikalischen Zeit- und Weltreise macht – beide Werke führen den Interpreten in pianistische und musikalische Eisregionen.
Die Neuproduktion zeigt erneut die enorme „Ladekapazität“ Levits und seine bekannten interpretatorischen Qualitäten: Beide Werke sind ohne Fehl und Tadel virtuos umgesetzt (wobei Levit in seiner direkten, aber geschmeidigen Spielweise hier Keith Jarrett näher steht als etwa Richter oder Nikolajeva), und sie umspannen von lyrischer Pianissimo-Innigkeit bis zu ehernem Fortissimo einen extrem weiten Ausdrucksradius. Was nicht heißt, dass man mit Levits Spiel vorbehaltslos einverstanden sein muss. Mir zum Beispiel hätte vor allem im Leisen ein etwas lebendigeres Stimmenprofil (und etwas weniger Pedal) gut gefallen. Aufs Ganze gesehen aber unzweifelhaft eine große Leistung aus einem Guss.
Ingo Harden