Ausgehend von Franz Schuberts kryptischem Text „Mein Traum“, entstanden 1822, haben das Ensemble Pygmalion und Dirigent Raphaël Pichon sowie Bariton Stéphane Degout ein Programm kuratiert, dass an den Geist, an die Gedanken und Motive dieser Erzählung anschließt. Es finden sich Ausschnitte aus „Lazarus“ und „Alfonso und Estrella“, Lieder, die Sinfonie mit dem Beinamen „Unvollendete“ sowie kurze Sequenzen aus Werken von Carl Maria von Weber und Robert Schumann.
Bei einzelnen Tracks wirken außerdem Judith Fa und Sabine Devieilhe mit. Was diese Aufnahme auszeichnet, ist ihr wacher Geist – eine Lesart, die unterschiedliche Facetten zusammenführt, ob Freude oder Melancholie, ob Trost oder Sehnsucht. Die hier in zwei eigene Teile separierte Sinfonie mag man, allein was die Spielzeit angeht, als „Herzstück“ des Albums ansehen, Pichon hat das Werk mit großer Sorgfalt erarbeitet. Vergleiche mit der kürzlich erschienenen Aufnahme unter René Jacobs böten sich an, da nicht nur der historisierende Ansatz beide Produktionen eint.
Pichon jedoch deutet das „con moto“ im zweiten Satz verhaltener, weniger drängend, doch in den abrupten Passagen gleichermaßen aufregend. Stéphane Degout singt die (teils von Liszt und Brahms bearbeiteten) Lieder mit warmer lyrischer Stimme und großen Spannungsbögen („Doppelgänger“). Innig und frei von Kitsch singt Sabine Devieilhe das „Ave Maria“. Diese Einspielung bewegt sich, meist ohne Pausen zwischen den einzelnen Tracks, gekonnt in den Zwischenreichen von Dämmerung und Ahnung.
Christoph Vratz