Auch heute sind solche Stücke noch ein gefundenes Fressen für Künstler, die sich produzieren wollen. Ob man das wirklich so derb und distanzlos machen muss wie die Sopranistin Eugénie Lefebvre, sei dahingestellt; ein Wesen barocker Affekte ist ja gerade, dass sie stilisiert und überhöht sind.
Immerhin kommt Lefebvre in der zweiten Hälfte der vorliegenden Aufnahme etwas zur Ruhe, und der Bassist Étienne Bazola schlägt von Anfang an behutsamere Töne an. Neben relativ bekannten Stücken von Henry Purcell kommt hier auch Musik von John Eccles, John Blow, Jeremiah Clarke und Daniel Purcell zu Gehör, wobei die Instrumentalsätze phrasen- oder abschnittsweise sinnvoll instrumentiert werden (Streicher, Oboen und Blockflöten).
Ohnehin zeichnet sich das Ensemble Les Surprises durch einen guten Geschmack aus: Es verdeutlicht harmonische, melodische oder atmosphärische Wendungen, ohne die Kontraste ins Extrem zu ziehen, und spieltechnisch läuft alles auf jenem sehr hohen Niveau ab, das man von Barockensembles inzwischen gewohnt ist. (Erfreulich, was sich seit den verdienstvollen Pionieraufnahmen der Academy of Ancient Music aus den 1970er-Jahren getan hat!) Kurzum: Ein interessantes, gut strukturiertes Programm, interpretatorisch mit viel Licht und wenig Schatten, zudem mit einem lesenswerten Einführungstext (Peter Holman). Das Klangbild ist sehr direkt und dadurch etwas hart.
Matthias Hengelbrock