Die insgesamt „Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert“ haben Garanča, die Wiener Philharmoniker und Christian Thielemann 2021 bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. Ein Jahr zuvor, im ersten pandemischen Sommer, standen die „Wesendonck-Lieder“ von Richard Wagner an selber Stelle auf dem gemeinsamen Programm. Beide Lied-Gruppen liegen nun auf einem Album vor, dessen Spielzeit mit 40 Minuten erschreckend knapp ist. Ist das der Pandemie geschuldet? Es wäre die einzige Entschuldigung. Künstlerisch bieten die Mitschnitte eine Reihe von berührenden Momenten.
Dass Thielemann hier als Mahler-Interpret zu hören ist, hat Seltenheitswert. Er führt das Orchester sicher, mit Gespür für Farben und Timing, für Übergänge und vor allem mit großer Sicherheit, um die Entfaltung der Stimme nicht einzutrüben. Elīna Garanča bewegt sich mit mal warmer, mal in der Höhe ungetrübt heller Stimme durch dieses Repertoire, und doch verrät ihr Vortrag ein Maß an Beherrschtheit oder Kontrolle, über das hinauszugehen man ihr manchmal wünschen würde. Das Existenzielle, wie in „Um Mitternacht“ bei Mahler oder im abschließenden „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, klingt, als reine Klangformung betrachtet, schön und cremig-edel, im Sinne eines Willens zur Interpretation jedoch etwas dosiert.
Christoph Vratz