Diese „historisierende“ Aufnahme mit dem Solisten Dmitry Sinkovsky, der mit diesem Beethoven sein Debüt auf dem Label Glossa gibt, kann als Beispiel dienen für eine Horizonterweiterung. Sinkovsky, der nicht nur als Geiger, sondern auch als Countertenor und Dirigent auftritt und zu den kreativsten Interpreten der Alte-Musik-Szene gehört, setzt hier eine Marke. Er spielt einen filigranen und leichten Beethoven, überhaupt baut sich das Werk ganz ohne Pathos und klangliche Schwere auf.
Das vom Cellisten Alexander Rudin geleitete Moskauer Musica Viva-Orchester agiert sehr transparent und feinfühlig, alles klingt wie auf Flügeln. Und es gibt Überraschungsmomente. Sinkovsky nahm sich die Freiheit, ein Klavier gewissermaßen wie eine Art „Basso continuo“ dezent im Orchester aufscheinen zu lassen. In der Kadenz spielt es dann groß mit dem Solisten auf. Wie es immer mehr Geiger tun, bietet Sinkovsky eine eigene Version auf Basis von Beethovens Klavierkadenz an. Auch der Pulsgeber, die Pauke, tritt hinzu.
Eine kreative wie gewagte Perspektivenerweiterung, die Beethovens Klavierversion des Werkes reflektiert, indem sie das Tasteninstrument in einem gewissen Umfang integriert. Das Tripelkonzert, in dem Sinkovsky mit dem Pianisten Alexei Lubimov und dem Cellisten Alexander Rudin das Trio bildet, liegt interpretatorisch auf ähnlicher Linie wie die Darstellung des Violinkonzertes.
Norbert Hornig