Der Tenorsaxofonist, der die vitale West-Coast-Bop-Szene repräsentierte, beeindruckte mit flüssigen Saxofonlinien und vielgestaltigen Improvisationen, die selbst banale Songs veredelten. Nach persönlichen Schwierigkeiten hatte Dexter Gordon in den 1960er-Jahren in Kopenhagen ein neues Domizil gefunden. Von dort aus startete er seine Tourneen, vorwiegend in Europa. Obwohl der Tenorist während dieser Zeit ausgezeichnete Alben für Blue Note und zahlreiche für das dänische Label Steeplechase einspielte, war er in den USA in Vergessenheit geraten.
Das änderte sich schlagartig nach von Publikum und Presse gefeierten Auftritten im New Yorker Village Vanguard. Mit seiner dort 1976 live aufgezeichneten „Homecoming“-Session machte er Furore. Fortan blieb Gordon in seiner Heimat und trat nur noch sporadisch in Europa auf. Sein Auftritt im eidgenössischen Willisau 1978 mit exzellenter Quartettformation geriet zu einer Sternstunde, die sich in jedem der fünf Titel manifestiert. Gordons expressive Improvisationen in dem Standard „On Green Dolphin Street“ sowie dem rasanten „The Jumpin’ Blues“ verweisen auf das authentische Bop-Verständnis des Tenoristen. Mit welcher Hingabe er die Ballade „Old Folks“ interpretiert, unterstreicht einmal mehr die These, dass man zwar die Spieltechnik erlernen kann, aber um glaubwürdig zu klingen, seine eigene Geschichte einbringen muss. Diese Voraussetzung löste Dexter Gordon immer voll ein.
Gerd Filtgen