Insofern befremdet das Booklet dieser Schubert-Einspielung aus dem Jahre 1988. Da werden Erinnerungen von Orchestermitgliedern zitiert, als ginge es um eine zeitlos erleuchtete Interpretation. Dabei stammt dieser Schubert-Zyklus mit dem Chamber Orchestra of Europe aus dem Herbst 1988 – einer Zeit, die für die jüngere Generation heute schon historisch erscheint. Und so sollte man durchaus im Ohr haben, dass sich seither viel, sehr viel, in der Schubert-Interpretation getan hat – auf historischen wie modernen Instrumenten, mit historisch weitsichtigen Dirigenten oder solchen, die sich eine eigene Geschichte schufen – ein Blick in den Katalog genügt.
Der in den Vordergrund gerückte Persönlichkeitskult stößt mir jedenfalls auf, weil in den persönlichen Erinnerungen die vergangenen 32 Jahre radikal ausgeblendet und vermeintlich Revolutionäres als maßgeblich dargestellt wird. Beim Hören vermisse ich im Kopfsatz der 6. Sinfonie eine nach Rossini klingende Leichtigkeit, in der Unvollendeten stößt der phrasierende Zeigefinger auf, und die „große“ C-Dur-Sinfonie verträgt auch weniger rhetorische Interpunktion. Als Live-Dokument vom Styriarte Festspiel aus Graz hat die Box ihre Berechtigung. Mehr aber nicht.
Michael Kube