Dies ist umso beachtlicher, als Schiff das Angebot mit den heute üblichen schwergewichtigen Brahms-Interpretationen nicht einfach um eine Version erweitern wollte. Ihm war an einer historisierenden „Entschlackung“ des Klangbilds gelegen, das zu Brahms᾿ Zeit deutlich schlanker geklungen haben dürfte. Daher wählte er als Partner das „OAE“, das in etwas geringerer Besetzung als heute und auf alten Instrumenten spielt – mit Darmsaiten für die Streicher. Vor allem aber forderte er (und bekam!) vom Orchester ein kammermusikalisch feines Musizieren, das sein unverändert hellhöriges, nicht nur bei Bach und Schubert, sondern auch bei Brahms souveränes, aber unplakatives Klavierspiel voll zur Geltung kommen ließ.
Besonders das d-Moll-Konzert mit seinem drohend düsteren Anfang erfährt in dieser dritten Aufzeichnung mit dem inzwischen 67-jährigen Sir András eine Darstellung, die sich vom gewohnten Alfresko durch klangliche Transparenz und Farbigkeit positiv abhebt. Im festlich-konzertanteren, weniger Ansatzpunkte zum Restaurieren bietenden B-Dur-Werk scheint mir der Gewinn geringer. Insgesamt ist dies aber sicherlich die entschiedenste Alternative zum heute dominierenden Brahms, wie ihn, meines Erachtens immer noch am überzeugendsten, die alte, strömend-strenge Fleisher/Szell-Aufnahme zeigt.
Ingo Harden