Eigentlich sollte das zweite Stiftungskonzert des Klavier-Festivals Ruhr das 30-jährige Bestehen der weltweit bedeutendsten zeitlichen und örtlichen Ballung von Konzerten mit Pianisten feiern - und die ebenso lange Existenz des dieses Festival tragenden Inititiativkreises Ruhr. Doch da der Konzerttermin mit dem 70. Geburtstag von Festival-Intendant Franz-Xaver Ohnesorg zusammenfiel, geriet der eigentliche Anlass in den Hintergrund. Pianist Joseph Moog, der zuvor mit Gerhard Oppitz das vierhändige Schubert-Rondo D-Dur D 608 gespielt hatte, übernahm die Moderation und hatte zu jedem der auftretenden Künstler eine Ohnesorg-Anekdote parat. Ohne Zweifel ist Ohnesorgs Verdienst um die Qualität und die Ausstrahlung des Festivals nicht hoch genug zu würdigen.
Thomas Quasthoff hingegen schienen (nicht ganz unverständlich) die endlosen Ohnesorg-Würdigungen, die jedes neue Musikstück ankündigten, etwas zu viel zu werden. Ihn erinnerte die Huldigung an die des Sonnenkönigs und bemerkte spitz, dass das Ruhrgebiet sich offenbar einen Sonnenkönig leisten könne. Sicherheitshalber stellte er fest: "Ich habe heute keinen Geburtstag." Dafür aber waren Quasthoff und die anderen Jazzer die Stimmungskanonen des Abends, die jene Ausgelassenheit aufs Podium brachten, die man im arg intellektuell geratenen ersten Teil des Geburtstagkonzertes vermisst hatte. Neben ihm waren Till Brönner (Trompete), Dieter Ilg (Bass) und der Pianist Frank Chastenier zu hören. Und den überwältigend virtuosen und erzmusikalischen Schlusspunkt setzte Michel Camilo mit seiner Improvisation über Standards.
Zuvor hatte bereits Anne-Sophie Mutter mit zwei Gershwin-Nummern bezaubert. Im ersten Teil hatte Alfred Brendel ein kleines selbstgeschriebenes Hommage-Gedicht an Ohnesorg vorgetragen, sein Sohn Adrian spielte Cello-Stücke von Kurtag und eine Bach-Bourrée. Pianistischer Höhepunkt des ersten Teils war die sensible, zarte und gleichwohl klangvolle Interpretation von Stücken aus Tschaikowskys Jugendalbum durch Elena Bashkirova. Olli Mustonens Beethoven-Variationen ("Das Waldmädchen") wirkten überreizt, La Valse von Ravel mit Martha Argerich und Sergio Tiempo nicht zwingend. Und Juliane Banse als Schubert-Sängerin blieb unspezifisch-blass, schön begleitet allerdings von Gerhard Oppitz.
Bevor das Stiftungskonzert des Klavier-Festivals und des Initiativkreises Ruhr begann, hielt der Vorsitzende des Stiftungsrates, Dr. Thomas Lange, eine kurze prägnante Ansprache, in der er die überragende Bedeutung des Klavier-Festivals treffend zusammenfasste: die ausschließlich private Finanzierung der Weltklasse-Konzerte, die antielitäre Machart des Festivals und das hohe soziale Engagement, z. B. in Duisburg-Marxloh. Zudem betonte er den Wert der klassischen Musik für das kulturelle Selbstverständnis unserer Gesellschaft und er machte auf die Bedrohungen aufmerksam, der dieses wertvolle Gut durch jene ausgesetzt ist, die unserem Zusammenleben den Konsens des friedlichen und kultivierten Zusammenlebens streitig machen wollen.