26 Jahre nach Witold Lutoslawski (1913-1994) ist nun auch Krzysztof Penderecki (1933-2020) verstorben. Die beiden polnischen Komponisten waren in ihren Musiksprachen unterschiedlich. Doch gemeinsam waren sie Herz und Seele der Neuen Musik - und nicht nur der polnischen. Zu intellektualistischen Publikumserziehern taugten beide nicht. Sie wollten Musik schaffen, die Kommunikationsakt ist. Lutoslawski gelang dies mit seiner Technik der lichten Klarheit, der konzentrierten Konstruktion, die feines Klangfarbenspiel freisetzt. Penderecki malte mit breiterem Pinsel, aber nicht gröberem. Er trug seine Farben kräftiger und eruptiver auf, beseelt vom Glauben an den Sinn des Klangs und an die Glaubwürdigkeit großer Emotionen.
Dass er trotz seines 1960 in Donaueschingen uraufgeführten Orchesterwerks Anaklisis mit all seinen Clustern kein Heros der Donaueschinger und Darmstädter Formalisten wurde, lag genau an diesem zutiefst gerechtfertigten Verdacht, den die Adornoadepten gegen ihn gehegt haben mögen: Da verweigert sich einer dem Credo, dass der Klang nie für sich sprechen, sondern nur in der konstruktiven Einpferchung wahrhaftig sein könne.
Der Anaklisis folgte Threnos - den Opfern von Hiroshima, ein ebenfalls bei aller kompositorischen Geschliffenheit und atonalen Klanggestalt an die tiefsten menschlichen Regungen appellierendes Werk. Und mit der Lukaspassion (1966), die die Leidensgeschichte Christi in den Kontext der Leidensgeschichte des Holocaust stellt, schwang sich Penderecki endgültig zu einem der ganz wenigen zeitgenössischen Komponisten auf, die weit über die elitären Zirkel hinaus Gehör fanden - und Zustimmung. "Groß-oratorischen Habitus" attestierte ihm dafür etwa Ulrich Dibelius, einer der bedeutendsten Neue-Musik-Bewerter. Die erschütternde, unmittelbare Wirkung, die von diesem Werk ausgeht, wird Penderecki auch künftig einen festen Platz in der Welt der Neue-Musik-Oratorien sichern, ähnlich der des Requiems für einen jungen Dichter von Bernd-Alois Zimmermann oder des gegen diese beiden wuchtigen Brocken eher konventionellen Floß der Medusa von Hans-Werner Henze.
Zur ganzen Geschichte des Krzysztof Penderecki gehört natürlich auch seine kompositorische Altersmilde, die sich ab dem 1. Violinkonzert (1976) manifestierte - und die unter anderem dazu führte, dass sich Weltstar Anne-Sophie Mutter zum Beispiel in ihrer Hommage an Penderecki (Deutsche Grammophon) für seine Musik erwärmen konnte.
Der Kosmos seines Schaffens, vor allem der Hauptwerke, zu denen auch die Oper Die Teufel von Loudun (1969) zählt, hält auch für künftige Generationen große Erlebnisse auf musikalischer Entdeckungsreise bereit. Dass der Hörer dabei auch immer wieder auf die Frage nach der Existenz Gottes zurückgeworfen wird, ist eine tiefe Qualität der Musik von Penderecki.