Durchatmen in der Pause: Kölner Philharmonie
Durchatmen in der Pause: Kölner Philharmonie

Lang Lang - Alaaf!

Die Kölner röcheln, husten, fotografieren, filmen und machen brav Standing Ovations. In der Kölner Philharmonie geht die Lang Lang Show weiter. Schade nur, dass der vielleicht beste Klavierspieler der Welt keinen Sinn für Musik hat.

Er beginnt ganz schlicht mit den Jahreszeiten von Tschaikowsky, wahrlich keine großen musikalischen Erzählungen. Und doch offenbart sich sofort das große Talent von Lang Lang. Er erzeugt wunderschöne Klänge am Klavier, so schön wie kaum ein anderer sie hinbekommt. Er dringt in Bereiche der zurückgezogenen Lautstärke vor, die Staunen machen. Dabei bleibt sein Ton immer rund und weich. Der Farbenreichtum seines Spiels ist grenzenlos, mit welcher Leichtigkeit Lang Lang den Wohllaut erzeugt, verblüfft. Er schafft immer wieder neue Anlässe der Bewunderung. Das Spiel mit Klängen, das ist es, worum es Lang Lang geht.

Dass europäische Kunstmusik aber eben nicht die Summe von Klängen ist, das wird spätestens bei Bachs Italienischem Konzert deutlich. Natürlich klingt auch hier alles wunderbar und Lang Lang baut kaum übertriebene Effekte auf. Das hebt er sich für nach der Pause auf. Und doch wird spätestens jetzt klar: Dieser geniale Klavierspieler hat nichts zu erzählen, außer über sein Klavierspiel, also über sich.

Wie er dann die vier Scherzi von Chopin entseelt, setzt dieser Nicht-Haltung zur Musik die Krone auf, seine Krone. Auch hier gilt: die Schönheit des Anschlags, die fast nur mit Horowitz vergleichbare Fähigkeit, Klangfarben zu zaubern, bleibt phänomenal. Aber vom Leben erzählt das alles nichts, nichts vom Leiden, nichts von Sehnsucht, nichts von Schmerz, von Liebe, Tod - nichts, nichts, nichts: Es ist die seelenlose Schönheit, die einem aus Lang Lang Spiels wie blöde entgegen lächelt. Es ist Schönheit ohne Wahrhaftigkeit. Es gibt nicht einen Ton, hinter dem eine echte Empfindung zu ahnen wäre, eine innere Notwendigkeit. Es ist die pure Beliebigkeit und noch schlimmer: Selbstherrlichkeit. Ideal also, um es mit dem Handy mitzuschneiden, weil es eh kein unmittelbares Erlebnis zu verpassen gibt.

 

 

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