Darstellerin Maxi Blaha und Zeitzeugin Hanni Rittenschober. Foto: Georg Buxhofer
Darstellerin Maxi Blaha und Zeitzeugin Hanni Rittenschober. Foto: Georg Buxhofer

Die Geschichte der Hanni Rittenschober

Das Brucknerhaus Linz bringt eine Uraufführung über das Leben einer 99-jährigen Frau, die als einfache Magd viel erleiden und leisten musste.

Das Brucknerhaus Linz widmet sich mit der Uraufführung von Hanni, einem szenischen Monolog mit Musik, in Kooperation mit der Friedensstadt Linz, einem bedeutenden Stück Erinnerungsgeschichte und einem Herzensprojekt: Am Tag ihres 99. Geburtstags und im Jahr, in dem sich die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen sowie seiner Nebenlager Gusen I, II und III zum 75. Mal jährt, kommt im Großen Saal des Brucknerhauses die Geschichte einer wichtigen Zeitzeugin auf die Bühne und damit zugleich ein exemplarisches Frauenschicksal des 20. Jahrhunderts.

Hanni Rittenschober, die auf ein langes und entbehrungsreiches Leben zurückblickt, feiert exakt am Tag der Uraufführung ihren 99. Geburtstag. Als einfache Magd, Tochter eines Knechts, kannte auch sie von klein auf nur bitterste Armut. Mit ihrem Vater wurde sie gezwungen, beim Bau der Baracken für das Konzentrationslager Gusen mitzuarbeiten, später wurde sie Zeugin der „Mühlviertler Hasenjagd" – und hat das Unrecht nicht nur erkannt, sondern wo sie konnte, den Opfern auch geholfen.

Ihr Mann kehrte 1947 traumatisiert aus der Kriegsgefangenschaft zurück, vertrank und verspielte alles, sodass Hanni ihre sechs Kinder allein durchbringen musste.

„Mich hat die Geschichte sofort fasziniert, weil sie die letzten hundert Jahre aus der Perspektive ganz einfacher Leute zeigt. Leute, die in der offiziellen Geschichtsschreibung nicht vorkommen, denen die großen Ereignisse der Weltgeschichte immer wieder das Leben umkrempeln, Leute, die kämpfen müssen, um durchzuhalten, damit sie von den Umwälzungen nicht zerrieben werden, nicht untergehen, weil sie dauernd das zu spüren bekommen, was die Mächtigen beschließen", so Erfolgsautor Franzobel. 

Am 10. März feiert diese außergewöhnliche Frau, die in einem Seniorenheim in Oberösterreich lebt, ihren 99. Geburtstag. Ihre bewegende Biographie hat der bekannte oberösterreichische Autor Franzobel zur Grundlage eines Monodramas gemacht, das am 10. März im Brucknerhaus uraufgeführt wird. Die Musik dazu stammt vom Linzer Komponisten Gerald Resch, Maxi Blaha wird als Schauspielerin und Sängerin in die Rolle der Hanni schlüpfen. 

Von der Wienerin, die mit ihrer Darstellung ganz unterschiedlicher Frauenportraits im Rahmen von Theatersoli rund um den Globus aufgetreten ist, stammt die Idee, die bewegte Lebensgeschichte der Zeitzeugin Hanni auf die Bühne zu bringen:

„Ich habe Frau Rittenschober mehrmals interviewt und fand ihre Erzählungen über Kindheit, Armut, Nazizeit, Nachkriegszeit immer sehr berührend. Sie steht für mich für viele Österreicherinnen, sie ist nur eine ‚Platzhalterin'. Ich denke, dass viele Frauen in diesem Land Ähnliches geleistet haben und immer noch leisten, aber sie stehen immer im Schatten wichtiger Männer, das wollte ich ändern. Für mich ist es ein Stück über viele Frauen, die unser Land zusammenhalten, die alles ertragen, erledigen, trotzdem positiv und lustig bleiben, die Kinder großziehen, unbezahlte Arbeit machen, ohne die es einfach nicht ginge", erzählt Maxi Blaha, die Hanni Rittenschober verkörpern wird.

Nach Persönlichkeiten wie Bertha von Suttner, Ingeborg Bachmann und Emilie Flöge verwandelt sich die Schauspielerin, die von 2000 bis 2011 durchgehend als Schauspielerin in Linz engagiert war, im Brucknerhaus in die „Titelheldin" Hanni Rittenschober: „Mir kam die Idee, einmal etwas über eine ‚unbekannte' Österreicherin, die trotzdem Vieles geleistet hat, zu erzählen und ich stieß auf Johanna R., die für mich ein 100-jähriges österreichisches Frauenleben verkörpert. Ich fand, dass gerade Frauen wie Hanni, die immer im Hintergrund leben, so viele politische Systeme, private Katastrophen, Wandel er- und überlebt haben, es verdienen, in den Mittelpunkt gestellt zu werden. Gerade dieses ‚Nicht-berühmt-Sein' hat mich gereizt", erklärt Maxi Blaha und betont: „Sie verkörpert für mich 100 Jahre Frau-Sein in Österreich. Dieses Weitermachen, Durchhalten, Zähsein, das viele Frauen ihrer Generation kennzeichnet, gefällt mir. Es ist natürlich ein Stück Zeitgeschichte, das Lager in Gusen, die ‚Mühlviertler Hasenjagd', alles historische Ereignisse, die diese Frau erlebt hat und die Geschichte ist immer auch die Geschichte der BewohnerInnen. Gerade in Oberösterreich."

 och nicht nur die Geschichte dieser starken „Powerfrau" berührt, auch die Besetzung des Instrumentalensembles, für die der Linzer Gerald Resch seine Musik geschrieben hat, ist ebenso reizvoll wie ungewöhnlich: Wolfgang Kogert wird die neue Brucknerhaus-Orgel, die, verteilt auf 51 Register, über 3800 Pfeifen verfügt, zum Klingen bringen. Weiters sind vier MusikerInnen des Wiener Ensembles PHACE im Einsatz, Walter Seebacher an der Klarinette und Bassklarinette, Spiros Laskaridis an Trompete und Flügelhorn, Tina Žerdin an der Harfe und Maximilian Ölz am Kontrabass. Gemeinsam entführen sie mit der Uraufführung dieser musikalisch vielfarbigen Auftragskomposition in ein Jahrhundert, das zwar vergangen ist, dessen Schrecken jedoch nie vergessen werden dürfen.

"Das Brucknerhaus Linz widmet sich mit der Uraufführung von Hanni, einem szenischen Monolog mit Musik, einem bedeutenden Stück Erinnerungsgeschichte und einem Herzensprojekt. Für mich ist diese Uraufführung einer der Höhepunkt der diesjährigen Saison im Brucknerhaus und ein wesentlicher Beitrag zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen sowie seiner Nebenlager Gusen I, II und III. Die Geschichte einer wichtigen Zeitzeugin, Hanni Rittenschober, wird auf der Brucknerhaus-Bühne zur Aufführung gebracht, womit wir zugleich an ein exemplarisches Frauenschicksal des 20. Jahrhunderts erinnern. Die Uraufführung des Monologs von Franzobel mit der speziell hierfür komponierten Musik von Gerald Resch ruft nicht zuletzt die Schrecknisse des vergangenen Jahrhunderts ins Gedächtnis, die niemals vergessen werden dürfen", erinnert Mag. Dietmar Kerschbaum, Vorstandsdirektor der LIVA und Intendant des Brucknerhauses an eine geschichtsträchtige Zeit.

Die von Alexander Hauer, renommierter Regisseur und künstlerischer Leiter der Sommerfestspiele Melk, inszenierte Uraufführung von Hanni findet auf den Tag genau am 99. Geburtstag der „Titelheldin" statt und zeigt die große Geschichte aus der Perspektive kleiner Leute, deren unerschütterliche Kraft und Lebensmut vorbildlich sind.

„Obwohl Hanni oft von Leuten umgeben war, die ihr böse mitgespielt haben, ist sie liebevoll und tolerant geblieben, nicht verhärmt, nicht neidisch, nicht humorlos, ohne Vorurteile. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass Herzensbildung genauso wichtig ist wie intellektuelle Bildung, da kann man viel von ihr lernen. Und ihr Humor ist für eine fast Hundertjährige sowieso einzigartig", erzählt Franzobel über seine Begegnung mit Hanni Rittenschober.

 

 

 

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