1. Ein Stück, das Ihnen viel bedeutet, das aber viel zu wenig bekannt ist: Vor ein paar Jahren haben wir uns als Quartett an die „Lyrische Suite“ von Alban Berg gewagt und haben wirklich hart und akribisch an diesem so komplexen Werk gearbeitet. Umso enttäuschender war es dann zu sehen, dass viele Veranstalter vor einer solchen Komposition zurückschreckten. Diese „latente Oper“, wie Theodor W. Adorno das Werk beschrieb, offenbart einen eigenen Kosmos von so faszinierender Tonsprache und erschließt sich einem natürlich kaum beim ersten Hören. Wir würden uns also wünschen, dass solche Werke mutiger und selbstverständlicher von den Veranstaltern in das Konzertrepertoire aufgenommen werden.
2. Ein Stück, das alle/die meisten anders spielen als Sie: Die Frage ist schwierig zu beantworten, da wir natürlich darum bemüht sind, immer eine ganz eigene Interpretation für ein Werk zu finden. Das Streichquartett cis-Moll op. 131 von Beethoven haben wir viel gespielt und auch auf CD aufgenommen. Das Ringen um den richtigen Charakter, das Tempo und die Tongebung ist schier endlos bei einem solchen Werk und dennoch glaube ich, ist uns eine nicht zu pathetische, unbelastete und durchhörbare Version gelungen.
3. Ein Stück, das Sie nie wieder spielen wollen (aber früher gespielt haben): Auch wenn ich dem grandiosen Franz Schubert vielleicht Unrecht damit widerfahren lasse, der Quartettsatz in c-moll D 703 ist für mich persönlich mit einigermaßen traumatischen Erinnerungen verbunden. Sei es als erstes Stück bei einem Wettbewerb oder als Eröffnung eines Konzertes. Diese Komposition ist gerade für die Erste Geige unglaublich heikel, eine perfekte Intonation ist fast unmöglich und mich lässt es immer etwas ratlos zurück.
4. Ein Stück, das Sie nie verstanden haben (oder alternativ: ein Stück, dessen Erfolg Sie nie verstanden haben): Hier muss ich einmal die Streichquartettliteratur verlassen, denn hier gibt es fast nur grandiose Werke! Dass der „Bolero“ von Ravel das meistgespielte Werk der Orchesterliteratur ist, erschließt sich mir beim besten Willen nicht.
5. Das letzte Musikerlebnis, das Sie umgehauen hat (als Interpret oder als Zuhörer): Das war die Aufführung des Schubert-Streichquintettes mit Eckart Runge. Wir durften schon mehrmals mit ihm musizieren und bei unserem letzten gemeinsamen Auftritt im wunderbaren Kammermusiksaal des Holzhausenschlösschens in Frankfurt spürte ich Momente der absoluten Harmonie, des puren Glücks und die unglaubliche Freude, diese himmlische Musik gemeinsam musizieren zu dürfen.