Anstrengungen

Anfang der 1720er Jahre hatte sich der Ruhm des Opernkomponisten Antonio Vivaldi über ganz Italien verbreitet, und im römischen Karneval des Jahres 1723 gelang dem Venezianer eine Sensation. Im Herzen des opernfeindlichen päpstlichen Refugiums konnte er mit einem Streich eine neue Musiktheater-Kultur etablieren und die Vorherrschaft Alessandro Scar ­lat ­tis und Francesco Gasparinis brechen. Der »Ercole«, mit dem dieser Coup bewerkstelligt wurde, war sozusagen ein »best of« des Bühnenkomponisten Vi ­val ­di, denn das musikalische Material entstammte größtenteils früheren Opern. Der Vivaldi-Spe ­zialist Fabio Biondi hat nun die Frag ­men ­te der Partitur zusammengetragen, um die verlorenen Rezita ­ti ­ve ergänzt und das Werk als Gesamtein ­spielung auf den Markt gebracht.

Um dem Ganzen den nötigen interpretatorischen Glanz zu verleihen, wurde ein echtes Starensemble aufgeboten. In der Titelrolle agiert kein Geringerer als Ro ­lan ­do Villazón, und natürlich zieht er nach allem, was in den letzten Jahren über ihn an die Öffentlichkeit gelangt ist, das Haupt ­interesse auf sich. Es wäre zu einfach, ihn als Fehlbesetzung zu bezeichnen, aber er wirkt in diesem Ensemble ähnlich deplatziert wie ein Plácido Domingo als Erik im »Fliegenden Holländer«. Vivaldi ist so wenig Verdi, wie Wagner Puccini ist, und wenn man die Anstrengung eines Sängers spürt, sich einer völlig anderen Gesangs ­kultur anzupassen, dann ist das auf Dauer nicht unbedingt erbaulich. Schnell stellt sich die Frage nach dem »Wa ­rum« dieser Be ­setzungsentscheidung. Ei ­ne Antwort findet man kaum.

Die übrige Sängergilde ist natürlich groß ­artig, und wenn Fabio Biondis Vi ­val ­di-In ­terpretation hier ein bisschen schaum ­gebremst wirkt, dann hat das nur damit zu tun, dass gleichzeitig bei Naïve der Opern-Erstling des Venezianers »Ottone in villa« erschienen ist. Diese erste Opern ­gesamt ­auf ­nahme unter Mitwirkung der italienischen Ba-Rocker Il Giardino armonico zeigt, dass Vivaldis Opern auch mit weniger prominenter Sängerschar noch einen Tick aufregender geraten können.

Arnd Richter

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