Das Album ist nicht neu, sondern entstand als Auftragskomposition des Reykjavik Arts Festival, wird nun aber erstmalig veröffentlicht. An der vor 16 Jahren entstandenen Aufnahme waren u. a. Kantor Steindór Andersen, Amiina-Geigerin Maria Huld Markan Sigfúsdóttir sowie der bekannte Komponist Hilmar Örn Hilmarsson, der in der Raben-Saga eine Parallele zur Umweltzerstörung seines Landes sieht, beteiligt. Der Sigur-Rós-Anteil fällt also kleiner aus als zunächst vermutet: Es ist mehr Neoklassik als Shoegazing.
Die achtteilige orchestrale Suite, unterstützt von großem Chor und Orchester, zeigt dennoch die Tugenden der größten isländischen Rockband: Opulent schwelgende Soundscapes kontrastieren mit wuchtigen Gitarren-Crescendi und Electro-Glitches, die man sonst eher auf Remix-Alben der Isländer findet. Steindór Andersens tiefes, dunkles Timbre findet in Jónsis charakteristischem Falsett einen perfekten Gegenpart. „Odin’s Raven Magic“ mag ein Retortenprodukt aus der Schublade sein, aber es ist einer Veröffentlichung mehr als würdig – zumal Sigur Rós auch wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen Drummer Orri Páll Dýrason vermutlich nie mehr wie einst als Band existieren wird.
Peter Bickel