Tipps und Tricks

Sind Profi-Endstufen HiFi-tauglich?

STEREO wird immer wieder gefragt, ob sich nicht auch professionelle Bühnen- oder Studiotechnik, insbesondere extrem leistungsfähige, aber erstaunlich bezahlbare Leistungsverstärker, für den HiFi- oder gar High End-Einsatz zu Hause eignen. Das ist zweifellos eine verlockende Idee, mit der wir uns auch schon auseinandergesetzt haben. Tom Frantzen

Uns standen für die Versuche fünf betagte, bipolar (TO3) transistorisierte QSC USA-Endstufen zur Verfügung. Das größte Modell dieser Baureihe, die 1310, ist in der Lage, Ausgangsleistungen bis zu 2 x 1000 Watt an vier Ohm und im Monobetrieb 1310 Watt zu liefern. Das Überraschungsmoment dieser alten Recken ist der Preis, intakt kosten sie – oft stark gebraucht – unter 300 Euro. Und sie sind nicht allein, denn ähnliche Verstärker anderer Marken liegen preislich ähnlich.

An der über 25 Kilogramm schweren QSC fällt das vergleichsweise pragmatisch-günstige Gehäuse aus Stahlblech auf. Die USA-Baureihe ist tatsächlich eine Art Economy-Serie des renommierten Herstellers, der vor allem in Kinos in Stellung gebracht wird. Aber im Gegensatz zu vielen anderen, modernen Profi-Endverstärkern sind diese noch in Class AB ausgeführt, was nach unserer Meinung meist bessere klangliche Ergebnisse erwarten lässt, aber eben auch geschleppt sein will.

 

Unterschiede PA versus HiFi

Technisch sind diese für PA, Disco und Kino gedachten Endstufen selbstverständlich auf Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit gezüchtet. Vor allem anderen  sollen sie bedingungslos funktionieren und nie abbrennen. Das bedeutet stellvertretend für diese Zunft stets sehr gute Schutzschaltungen, mitunter schaltbare Limiter, standardmäßig symmetrische Anschlüsse, hohe Dämpfungsfaktoren, hohe Leistung auch bei niedrigen Impedanzen, fast immer Lüfterkühlung und eine vor Hochfrequenz-Einstreuung/Übersteuerung schützende Bandbreitenbegrenzung auf 40-70, manchmal sogar eher 30 Kilohertz – was es im Bereich HiFi seltener gibt. Auf der anderen Seite, also in den unteren Lagen, wird kaum ein Profi-Verstärker bis DC hinabreichen, sondern vorsichtshalber auch im Infraschallbereich auf etwa 10/20 Hertz, wenn nicht (schaltbar) gar auf 30/50 Hertz begrenzt sein.

Das wiederum bedeutet zwar die Inkaufnahme leichter Phasenverschiebungen und „oben herum“ vielleicht etwas weniger Frische/Offenheit, dafür aber so gut wie keine Schwingneigung. Typisch sind freilich auch etwas höhere Klirrverzerrungen als bei den diesbezüglich meist extrem hochgezüchteten HiFi-Verstärkern, beispielsweise werden 0,1 % angegeben statt vielleicht 0,02 % oder gar 0,005 %.

Das ist aber selbstverständlich völlig in Ordnung und von geringer Relevanz.

Die extreme Zuverlässigkeit auch unter widrigen Bedingungen ist damit zwar klanglich insgesamt leicht kompromissbehaftet, doch HiFi-tauglich wären diese Boliden allemal, gäbe es nicht ein Bauteil, das gerade dies verhindert: Das Hauptproblem für den Einsatz dieser Profi-Technik daheim stellt nämlich in der Tat die aktive Lüftung dar. Selbst wenn relativ leise oder zweistufige Lüfter Verwendung finden und diese womöglich erst anlaufen, wenn es wirklich vonnöten ist, verliert man im selben Raum gegenüber einer HiFi-Endstufe locker 20-30 dB Signalrauschabstand. Das dürfte bei hohen Pegeln wenig stören, ist aber etwa bei Kammermusik oder leisen Passagen insgesamt kaum akzeptabel. In der Praxis lärmt so ein Verstärker denn auch bei laufendem Lüfter mehr als ein Heimkino-Beamer. Dabei gab es zudem Unterschiede. Während das leiseste QSC-Exemplar tatsächlich eher flüsterte, sorgte das lauteste, offenbar heftiger gebrauchte desselben Typs schon für Unmut. Hier wird man wohl den Lüfter zumindest schmieren, wenn nicht austauschen müssen.

Etwas Abhilfe bringen beispielsweise Thermoschalter, die bei Endverstärkern mit Dauerlüftung zwischengeschaltet werden können und die bei HiFi-Betrieb seltener notwendige Lüftung etwas verzögern. So könnte man die Lüfter durch solche Schalter (Typ Schließer), im Lüfterkabel und auf den Kühlkörper montiert, beispielsweise erst zuschalten, wenn dort bestimmte Temperaturen erreicht werden, z. B. bei 60 Grad. Darüber sollte dann zum Schutz der Transistoren der Lüfter definitiv laufen.

 

Enormer Bassdruck

Im klanglichen Quercheck lag die QSC USA 1310 zwar ein Stück hinter einer jüngst hier im Hause befindlichen, high-endigen Endstufe, überraschte aber doch mit guter, neutraler Tonalität und enormer Standfestigkeit im Bass. Zudem hatte sie die doppelte Leistung auf der Habenseite. Als „Overkill-Versuch“ haben wir interessehalber sogar mal vier (!) QSC 1310 jeweils mit AHP-Feinsicherungen getunt und als Mono-Blöcke (je 1310 Watt an acht Ohm) mit High End-Lautsprechern in einer Bi-Amping-Konfiguration betrieben. Was eine solche Leistung, die man weder dem Stromnetz durch gleichzeitiges Einschalten noch mit Vollaussteuerung einem HiFi-Lautsprecher zumuten sollte, bei üblichen bis gehobenen Pegeln als Treibsatz bedeutet, muss man erlebt haben: Dynamik, Druck und Souveränität ohne Ende, vor allem im Bass.

Im direkten Vergleich zu hochklassigen HiFi-Endverstärkern erschien das Klangbild womöglich ein wenig grobschlächtiger und in den oberen Lagen einen Deut weniger offen, subjektiv vielleicht sogar einen Tick langsamer, wenn auch allein leistungsbedingt druckvoller, brachialer, mit physischer Basspräsenz. Die Bühne erschien zudem etwas flacher, Details wirkten mitunter leicht verschliffen und  gingen bei komplexeren Passagen zuweilen sogar verloren. Dennoch war der Auftritt gut, selbst bei höheren Ansprüchen könnte man damit prima leben. Ganz ehrlich, als Backup-Verstärker wären sie mir locker gut genug, etwa um mal eine Reparaturzeit zu überbrücken. Das „rockt“ einfach, aber „feingeistiger“ klingen die Geschwister fürs Wohnzimmer.

So ist die Verwendung professioneller Verstärker für HiFi zwar durchaus möglich, es bleiben aber ein paar praktische Einschränkungen und zudem klangliche Wünsche offen, die freilich zumindest zum Teil lösbar sind. Bessere Feinsicherungen, besagter Thermoschalter und ein geschirmtes, querschnittstarkes  Supra Lorad-Netzkabel wirken Wunder. Im Heimkino gelten allerdings wiederum andere Gesetzmäßigkeiten als im Stereo-Betrieb. Hier können wir uns den Einsatz noch besser vorstellen, zumal der Gegner für die robusten Bühnenverstärker hier meist der klanglich womöglich auch nicht ganz so ausfinessiert klingende und deutlich weniger potente AV-Receiver ist.

Bei der tatsächlichen Heimkino-Installation von Grund auf kann man zudem die Endstufen etwa in einem Nebenraum oder im Keller darunter positionieren und damit die störenden Lüfter überlisten. Die Verkabelung etwa lässt sich mit etwas Geschick ja durch die Wände/Decken oder in Kanäle legen. Vom Experimentieren möchten wir Sie jedenfalls nicht abhalten ...

 

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